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Konzerte

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Es gehört seit Jahren zu den Gepflogenheiten, Festwocheneröffnungskonzerte und „Philharmonische“ gleichzuschalten, das heißt, ein Abonnementkonzert ganz einfach noch einmal zu wiederholen und im freien Kartenverkauf anzubieten. Solang dieses Konzept spektakulär, festlich, vom Programm her attraktiv war, war auch dagegen nichts einzuwenden. Diesmal hat man sich’s im Konzerthaus freilich etwas leicht gemacht. Denn das „Philharmonische“ unter Claudio Abbado mit Wladimir Spiwakow war zwar natürlich ein sehr solides Abonnementkonzert. Aber von der Stückwahl her schien es nicht so recht festlich: Strawinskis „Jeu des cartes“, Mozarts D-Dur-Violinkonzert (KV 211) und j 'schaikowskis „Fünfte“ ergeben, Hand aufs Abonnentenherz, nun wirklich ein ganz durchschnittliches Programm. Und das scheint auch einem auffallend großen Teü des Publikums so ergangen zu sein. Denn obwohl für dieses Festkonzert auf allen Plakaten „Ausverkauft“ stand, blieben nicht gerade wenige Parkettsitze ganz schön leer. Ob da bloß der Musikfeststart an einem Pfingstsonntag einen Streich spielte?

Wirklich sensationell war an dieser Matinee übrigens nur Wladimir Spiwakow: ein Geiger, den man als souveränen Techniker kennt und als Musiker von erlesenem Geschmack noch mehr schätzt. Ein Künstler von erstaunlicher Diskretion. Nirgends drängt er sich bei Mozart vor, stets hält er sich und sein Superkönnen soweit im Hintergrund, daß der schlichte, klare Satz dieses 211er-Violinkonzerts auch alle nötige Delikatesse atmet Daß nur ja kein Verdacht des Aufdringlichen, Outrierten auftauchen kann.

Kein Wunder, daß man spürt, wie es Abbado und den Philharmonikern Freude macht, mit Spiwakow zusammenzuarbeiten, einmal da, dann wieder dort die musikalischen Argumente und Gegenargumente auszuspielen.

Auf herbe Dramatik legte sich Abbado übrigens bei Tschaikowski fest. Die „Fünfte“ - ein bißchen exaltiert, knallig scharf in den Blechentladungen, dann wieder samtweich in den Streicherbögen, herbstlich elegisch in den Holzbläsern. Eine schöne, temperamentgeladene, sinnlich leuchtende Aufführung, die bei aller Rasanz und aller Farbigkeit doch nie dick oder pathetisch wirkte.

Genau diese klare Linienführung, diese elegante Schlankheit fehlte allerdings Strawinskis „Jeu de cartes“. Das Werk war merkbar für die Akustik des Musikvereins geprobt, klang im Konzerthaus daher etwas verschleppt, manches zu schwerfällig. Immer wieder hatte man den Eindruck, daß da das präzise Reagieren der einzelnen Gruppen aufeinander nicht so recht in Schwung kommen wollte.

Eine Enttäuschung, wie sie eigentlich bei Festwochen nicht Vorkommen sollte, bescherte außerdem der junge Pianist Emanuel Ax. Erster Abend im Chopin- Zyklus der Festwochen: Ein trostloses Unternehmen. Des Meisters Nocturnes (op. 62/1 und 2) und op. 15/1, zwei posthume Etüden, die b-Moll- Sonate und noch manches andere Stück ... ein gleichmäßig scharf hingeknallter Notenhaufen, Schattierungen zwischen Forte und Piano waren eine Seltenheit. Von Herausarbeiten der Konstruktion dieser Werke, von geistigen Zusammenhängen, von dynamischen und agogischen Problemen keine Spur der Bewältigung. Ax spielt wie ein Berserker, trommelt drauflos, Hauptsache ist das Tempo. Wie dieser Ahnungslose in diesen Zyklus geraten ist, weiß wohl kein Mensch. Daß dieser Abend, den ich mit anderen Besuchern in der Pause fluchtartig verließ, den ganzen Zyklus in Mißkredit bringt, braucht man nicht zu betonen. Es dürfte schwer werden, desgleichen mit einem neuen Chopin-Stil zu verwechseln.

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