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Laienapostolat heute

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Beim Wort „Legion“ denkt man zuerst einmal an die Fremdenlegion, und ein „Legionär“, das ist eben einer, der sich dieser französischen Kolonialtruppe angeschlossen hat. In Verbindung mit Maria, der Gottesmutter, die von den Künstlern als die Sanfte, Milde oder Schmerzensreiche und kaum je als die Kämpferische dargestellt wird, wirkt der Begriff befremdend. Und doch ist diese Vorstellung nicht gar soweit hergeholt: Das Hohelied, das die Kirche gern auf Maria bezieht, nennt sie nicht nur „schön wie der Mond“ und „leuchtend wie die Sonne“, sondern auch „furchtbar wie ein Heer in Schlachtbereitschaft“ (6,10). In der „Waffenrüs'tung Gottes“ — Glaube, Demut, Liebe — führt Maria im Kampf gegen Satan und seinen Anhang.

Mythologische Vorstellungen vom Streit zwischen Licht und Finsternis, hie „Welt“ — hie „Himmel“? Und das heute, da die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen, die Sünde wegdisputiert wird, die Ordnung der Werte schwankt?

Das Zweite Vaticanuim hat es so formuliert: „Das ganze Leben der Menschen, das einzelne wie das kollektive, stellt sich als Kampf dar, und zwar als einen dramatischen, zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis“ (Gaudium et spes, I, 13). Von diesem Blickpunkt aus scheint es nur folgerichtig, daß Menschen diesen Kampf gemeinsam führen und dabei als „äußeres“ Vorbild die berühmteste Armee der Weltgeschichte wählen: die römische Legion. Von ihr stammt der Name.

„Geistiger Vater“ der Legion Mariens ist eigentlich der heilige Ludwig Maria Grignion de Montfort (1673 bis 1716), ein in Österreich wenig bekannter Heiliger. Als Volksmissionar lehrte er in der Bretagne und der Vendee die „vollkommene Hingabe an Jesus durch Maria“. Eine radikale Form der Marien Verehrung: Sie verlangt nicht weniger als — alles! Um Gott zu dienen, soll der Mensch jenen Weg gehen, den Gott selbst gewählt hat, da er uns seinen Sohn schenkte: den Weg über Maria. Als „Magd des Herrn“ ganz dem Wirken Gottes geöffnet, hat sie für alle Menschen aller Zeiten den Sohn Gottes empfangen, sie kann nichts anderes wollen, als daß Christus in jedem einzelnen neu geboren werde. (Vgl. Grignion, Die Vollkommene Hingabe, I, 33.) Diese Form der Marienverehrung hat nichts mit Sentimentalität zu tun: Sie fordert die Tat. Sie muß — über den Kampf gegen das Böse im eigenen Wesen hinaus — zur Sorge um den Mitmenschen führen, vor allem zur Sorge um sein geistig-geistliches Wohl. Und darum auch die Forderung nach Gebet und Apostolat.

Aus dieser Geistigkeit entstand 1921 die Legion Mariens, gegründet von einem jungen Staatsbeamten, Frank Duff, in Dublin. Fast 27 Jahre später hielt in Wien Univ.-Prof. DDr. Friedrich Wessely (t 1970) einen Predigtzyklus über die „Vollkommene Hingabe“. Und dann ging alles sehr rasch: Das „Offizielle Handbuch der Legion Mariens“ kam in seine Hände, mit der Zentrale in Irland wurde Kontakt aufgenommen, Kardinal Innitzer gab die Erlaubnis zur Gründung der Legion in der Erzdiözese Wien. Eine Gruppe von 17 Leuten, Männer und Frauen, erklärte sich am 2. Februar 1949 bereit, als Legionäre zu wirken. Innerhalb weniger Jähre breitete sich die Legion über ganz Österrecih aus. Heute sind rund 500 Gruppen (Präsidien) tätig.

Wozu verpflichten sich die Legionäre Märiens?

Das „Handbuch“ faßt zusammen: „Der Legionsdienst verlangt von jedem Legionär: 1. das pünktliche und regelmäßige Erscheinen bei der wöchentlichen Zusammenkunft des Präsidiums, bei der ein angemessener und deutlicher Bericht über die geleistete Arbeit zu erstatten ist;

2. das tägliche Beten der Oatena (i.e. Magnificat, Antiphon und Ora'tion);

3. die Leistung einer wesentlichen.tä-tigen Legionsarbeit im Geiste des Glaubens und in Vereinigung mit Maria, und zwar so, daß in den Betreuten und in den Mitlegionären Christus der Herr von seiner Mutter Maria aufs neue erblickt und ihm von ihr gedient wird; 4. absolute Verschwiegenheit hinsichtlich aller Dinge, die man bei der Versammlung bespricht oder im Zusammenhang mit der Legionsarbeit erfährt.“ (Kap. XXXV, 7.) Wer das auf sich nimmt, ist „aktiver“ Legionär. Deren gibt es in Österreich rund 4000.

Ein Legionsdienst anderer Art bietet sich in der Hilfsmitgliedschaft an. „Hilfslegionäre“ verpflichten sich zum täglichen Beten des Rosenkranzes und der Legionsgebete (Catena und Gebet um den Glauben). Ihre Zahl beträgt in Österreich derzeit etwa 30.000.

Welche Arbeiten leisten die „Aktiven“? Was immer der Pfarrer oder — bei überpfarrlichen Gruppen — der Bischof wünscht: Großes oder Kleines, Wichtiges oder Geringfügiges. Die Skala der Tätigkeiten ist fast unüberschaubar. In persönlichem Kontakt geht es immer um die Sorge um jeden einzelnen: um den Blinden, den Alten, den Kranken, den Einsamen, um das Kind und den Jugendlichen, um den Urlauber, den Geschiedenen, den aus der Kirche Ausgetretenen, um den Juden, den Konvertiten, um den Strafgefangenen, um das Straßenmädchen, um den Haftentlassenen und den Obdachlosen. Und dann gibt es freilich jene Aufgabe, die die Legion berühmt-berüchtigt gemacht hat: Hausbesuche von Tür zu Tür. Natürlich schreckt jeder Neuling davor zurück. Und doch findet man gerade auf diesem Weg die Einsamen und Kranken, die ungetauften Kinder und die aus der Kirche Ausgetretenen, die gerne „Ordnung machen“ wollen, aber nicht wissen, wie. Da die Legion jedem Katholiken offen steht, dem Gebildeten wie dem Ungebildeten, mag es bei solchen Besuchen auch mitunter zu Ungeschicklichkeiten kommen. Doch ist man versucht, in einer gewissen Analogie Ignaz Seipel zu zitieren: „Ein Minister, der Fehler macht, ist mir lieber als ein Minister, der gar nichts macht.“1

Ist die Legion eine Elitetruppe? Nein, keine „Elite“, ganz einfach emstgenommenes Christentum, das danach strebt, mit Maria unerschütterlich gläubig in unbeirrbarer Hoffnung und tätiger Nächstenliebe einzig auf Gott zu schauen. Hier findet auch die Jugend für ihr Leben Sinnerfüllung im Blick auf das Wesentliche.

Und die Krise in der Kirche? Die Spannungen zwischen progressiv und konservativ? Bekommt die Legion Mariens sie nicht zu spüren? Woche für Woche stößt der Legionär darauf bei seinen vielen Begegnungen mit Menschen verschiedener Klassen, Bildungsstufen, Weltanschauungen, auch in den eigenen Reihen. Er weiß, und man lehrt es ihn: Debattieren hilft hier nichts, und er darf nie andere verurteilen. Im übrigen schaut man auf das Ziel, das für alle indiskutabel feststeht: „Die Ehre Gottes durch die Heiligung der Mitglieder.“ (Handbuch, Kap. II.)

Vielleicht zieht die Legion dehalb gerade heute die Jugend so stark an?

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