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Mehr Mahlerei als Weberei

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Das war auf jeden Fall ein kluger Programmeinfall und ein interessanter Abend: Karl Maria von Webers als Skizze Unterlassene und von Gustav Mahler ausgeführte Komische Oper „Die drei Pintos“ im Rahmen der Wiener Festwochen vorzustellen. Denn nur die ältesten unter den Wiener Musikfreunden haben sie gesehen, aber viele waren auf das in allen Weber- und Mahlermonographien erwähnte Werk neugierig.

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Das war auf jeden Fall ein kluger Programmeinfall und ein interessanter Abend: Karl Maria von Webers als Skizze Unterlassene und von Gustav Mahler ausgeführte Komische Oper „Die drei Pintos“ im Rahmen der Wiener Festwochen vorzustellen. Denn nur die ältesten unter den Wiener Musikfreunden haben sie gesehen, aber viele waren auf das in allen Weber- und Mahlermonographien erwähnte Werk neugierig.

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Nach dem sensationellen Erfolg seines „Freischütz“ 1821 in Berlin wollte Weber etwas ganz anderes machen: etwas Heiteres, zugleich sehr Realistisches, das keinerlei Inszenierungsschwierigkeiten bieten sollte. Aber andere Projekte in Form von festen Aufträgen und Bestellungen drängten sich vor: „Euryanthe“ für das Wiener Kärntnertor-Theater und „Oberon“ für die Londoner Covent Garden. Doch fand sich bald ein Textdichter in der Person des Hofrates Carl Winkler, der zum Dresdener „Liederkreis“ gehörte und sich als Autor Theodor Hell nannte, für das neue Projekt, und innerhalb weniger Monate war das Textbuch fertig. Doch mit der Komposition ging es nur langsam voran. 17 Nummern sollte

die Oper haben, aber nur sieben wurden skizziert, und von den rund 1700 Takten, die das Fragment umfaßt, sind nur acht instrumentiert. Fast hat man den Eindruck, als hätte Weber die Lust an dem Libretto verloren.

Natürlich bemühten sich Webers Nachkommen und Erben um die Fertigstellung. Noch im Todesjahr 1826 wandte sich die Witwe an den berühmten Giacomo Meyerbeer, und der Sohn Max Maria (auch auf Drängen Hans-licks) an den Mannheimer Musikdirektor. Aber erst der Enkel, Hauptmann Carl von Weber, hatte mehr Erfolg. Genauer: seine schöne Frau Marion, in die sich der 26jährige zweite Kapellmeister der Leipziger Oper, Gustav Mahler, sofort verliebte. Natürlich war es auch sein Ehrgeiz, das Werk eines so berühmten und von ihm hochgeschätzten deutschen Romantikers zu vollenden. Aber kaum ein anderer hätte sich zugetraut, aus einem so dürftigen Material eine aufführbare Oper zu machen.

Die Uraufführung der „Drei Pintos“ am 20. Jänner 1888 unter Mahlers Leitung in Leipzig fand ungewöhnliches Interesse und viel Beifall. Aber auch Widersprach. Dem „ganz entzückten“ Richard Strauss zum Beispiel teilte Hans von Bülow mit, er könne beim besten Willen nichts Löbliches finden, ob es nun von Weber oder von Mahler sei, es handle sich bei dem Ganzen „per Bacco, um einen infamen, antiquierten Schmarren“. Nicht weniger als zwölf Intendanten, neben vielen Zelebritä-ten, mit dem König und der Königin von Sachsen an der Spitze, haben der Premiere beigewohnt, und Mahler hatte jedenfalls für sich und die Familie Weber erreicht was er haben wollte: Tantiemen und Aufsehen, sicher auch Ansehen.

Denn bei dieser Arbeit war ein Meister am Werk, nicht nur ein überaus gewandter Komponist, sondern auch ein Opernpraktiker. Musikalisch blieb er immer in Weber-Nähe, auch wo er Neues komponieren mußte. Als „Füller“ verwendete er zahlreiche Vokalkompositionen Webers, Einzelstücke oder aus Kantaten und Bühnenwerken Entlehntes.

Aber auch Mahlers Bearbeitung konnte aus einem schlechten Textbuch kein gutes machen. So wurde für die Aufführung in der Wiener Volksoper, die einer Neuentdeckung des seit

Mahlers Tod (1911) kaum mehr irgendwo gespielten Werkes gleichkam, vom Dirigenten Friedemann Layer gemeinsam mit dem Regisseur Frederik Mirdita eine weitgehende Neufassung hergestellt. Bedenkt man jedoch den einfachen Kern der Handlung, so bleibt auch jetzt noch vieles verworren und unglaubwürdig. Die Fabel ist eine der häufigsten im Lustspielrepertoire: Wohlhabender Mann (hier der Gutsherr Pantaleone) will seine hübsche Tochter (Clarissa) an anderen Reichen verheiraten. Aber die Tochter hat schon selbst gewählt, jedoch nicht einen Don Pinto, sondern einen gewissen Don Gomez. Mit falschen Personalpapieren und durch Verwechslung kommt aber, neben dem echten Don Pinto, einem verarmten Edelmann, noch ein dritter ins Spiel.

Dieses lenkt auf der Bühne Mirdita in freundlich-hellen Kulissen (Spanien!) von Pantelis Dessyllas. Das runde Dutzend Personen, Freunde und Diener der Hauptakteure sowie einen Schenkenwirt, hat Leo Bei hübsch eingekleidet. Dem Ensemble gehören an: Sigrid Martikke und Marjon Lam-briks, Rudolf Wasserlof, Kurt Schreibmayer, Christian Boesch, Artur Korn, Walter Jenewein und Adolf Dallapoz-za. Aber nur der letztere ist, wenn wir Stärke, Qualität und Timbre der Stimme berücksichtigen, besonders hervorzuheben. Friedemann Layer dirigierte das aufmerksam und routiniert spielende Volksopernorchester und den präzisen Chor. Bei der Premiere herrschte eine gute Stimmung, und es gab viel freundlichen Beifall von allen jenen, die ihre Erwartungen nicht zu hoch gestellt hatten. Es wäre erfreulich, wenn dieses anmutige und heitere Werk einen bescheidenen Platz im Spielplan unserer Volksoper behaupten könnte... („Die drei Pintos“ sind am 11. Juni um 19 Uhr in ö 1 zuhören.)

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