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Mindestpension

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Daß ein Spitzenpolitiker, ohne dazu getrieben worden zu sein, bei einem so sensiblen Thema, wie es die Pensionen sind, einschneidende Verände- rungen fordert, und dann die von ihm genannten Zahlen nicht einmal den nächsten Tag überleben, ist erschütternd. Wobei es nicht etwa um die Stellen hinter dem Komma geht, sondern um die Frage, ob die Forderung mit 700, 4.000 oder 20.000 Millionen Schil- ling die kommenden Budgets belasten würde. Selbst tags darauf rätselte der Pensions- experte des Wirtschaftsfor- schungsinstituts noch, ob die Rede von einer Mindestpension in der genannten Höhe (7.000 Schilling) oder vom Mindest- einkommen eines Pensionisten ist (also Pension inklusive etwaiger Nebeneinkommen).

Aber was soll's: Im Herbst wird gewählt, und was zählt, ist, daß man mit einer populä- ren Forderung vor dem politi- schen Gegner in den Medien ist! Wer redet schließlich heute noch davon, daß der erste Vor- stoßin Sachen Mindesteinkom- men mindestens genauso un- ausgegoren war? Hängenge- blieben ist: ÖGB und Arbeiter- kammer sind ja doch die An- wälte des „kleinen Mannes" - was angesichts der zuletzt kol- portierten Bezüge einiger Funktionäre (Stichwort: Rech- berger) sonst vielleicht überse- hen werden könnte...

Viel erschütternder ist frei- lich, daß es Wahlen und des dadurch ausgelösten Popula- ritätswettlaufes bedurfte, damit über die wahrlich dis- kussionswerte Einkommenssi- tuation unserer Pensionisten auch wirklich diskutiert wird. Daß nach acht Jahren Hoch- konjunktur immer noch 245.000 Pensionisten eine Ausgleichszulage beziehen, weil ihre reguläre Pension inklusive Nebeneinkünfte un- ter 5.134 Schilling liegt, hätte längst ein Thema für die Seite eins sein müssen!

Ob es nun 700 oder 4.000 Millionen Schilling pro Jahr kostet: Wenn unsere Politiker und wir alle unsere soziale Verantwortung ernst nehmen, werden wir uns eine Anhebung der Mindesteinkommen der Pensionisten leisten müssen. Und ein Staat, der 4.000 Mil- lionen Schilling Verlust eines seiner Unternehmen (Noricum) aus einem einzigen Geschäft verkraftet, wird es sich hoffent- lich auch leisten können. An- ders als der noch Berufstätige hat ein Pensionist in der Regel ja keine Chance mehr, sein Einkommen aus eigener Kraft zu verbessern. Darum sollte die Frage eines menschenwürdigen Mindesteinkommens für Pen- sionisten Vorrang vor dem zuerst diskutierten Mindestge- halt haben. Bei den Pensionen kann sich der Staat aufgrund des praktizierten Systems nicht um eine Regelung herumdrük- ken. Die Gehälter hingegen kann er ruhig den Kollektiv- vertragspartnern beziehungs- weise den Vertragspartnern überhaupt überlassen...

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