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Mißbrauchter Adenauer

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Bautenminister Sekanina wird die Trassierung der Südau­tobahn dahingehend ändern, daß sie allein im Bereich Wech­sel um eineinhalb Milliarden Schilling billiger und außerdem noch um fünf Jahre früher fertig wird. Eine, soweit ich das beur­teilen kann, absolut richtige Ent­scheidung. Sicher aber keine, zu der überdurchschnittlich viel po­litische Courage notwendig war. Ob die Kurven in diesem Bereich 140 oder nur 100 Stundenkilo­meter vertragen, davon hängt schon seit Jahren kein Wahlaus­

gang mehr ab (wahrscheinlich tat er dies nie). Warum also ist diese Lösung nicht schon seinem Vorgänger eingefallen?

Wenn Politiker ihre Entschei­dungen revidieren, haben sie sehr schnell das Adenauer-Wort zur Hand, es könne einem nie­mand daran hindern, klüger zu werden. In vielen Fällen freilich wird Konrad Adenauer schlicht und einfach mißbraucht: Mit der Autorität seines Wortes und dem koketten Spekulieren auf Sympathie für jemanden, der be­reit ist, neue Erkenntnisse zu be­rücksichtigen, wird versucht, echte Fehlentscheidungen zu ka­schieren.

Der Autobahnknoten Eisen­stadt etwa, vom Größenwahn der Straßenplaner funktionslos in die grüne Wiese gestellt, wird nicht deshalb nie in das österrei­chische Autobahnnetzeingebun­den werden, weil sich die Ver­kehrssituation so drastisch ent­spannt hätte, sondern weil sie nie Anlaß gab, ihn zu bauen.

Auch die Diskussion um eine stärkere Besteuerung des 13. und 14. Monatsgehalts verdan­ken wir ja keineswegs dem Zu­wachs an Erkenntnis der dafür zuständigen Politiker, wie uns glauben gemacht werden soll, sondern dem viel banaleren Um­stand, daß das Budget aus dem letzten Loch pfeift. Wenn es sich dabei wirklich um eine derart himmelschreiende Ungerechtig­keit handelt, wie Finanzminister und Bundeskanzler jetzt zwecks Stimmungsmache für das ge­plante Anziehen der Steuer­schraube behaupten, dann frage ich mich, warum sich eine Re­gierung, die die soziale Gerech­tigkeit auf ihre Fahnen geschrie­ben hat, elf Jahre mit der Besei­tigung dieses Privilegs Zeit ge­lassen hat.

Gab es so viel wichtigere Ge­setze auszuarbeiten? Das ver- hatschte Datenschutzgesetz etwa, oder das Abgabenände­rungsgesetz 1978, dessen Novel­len und Erlässe Steuerzahler und Steuerberater in Atem halten? Wie paßt die postulierte Verein­fachung mit der Absicht zusam­men, nach der Gehaltshöhe zu differenzieren? Hat jemand, der 50.000 Schilling zweimal (fast) steuerfrei erhält, ein Privileg ge­genüber dem, der seine 20.000 weiterhin steuerbegünstigt er­halten soll, nicht aber auch der 20.000-S-Verdiener gegenüber dem, der 10.000 S verdient?

Gestiegen ist, so fürchte ich, nicht die Einsicht in die Dinge, - sondern der Zwang, Geld zu be­schaffen. Daß dadurch - siehe Autobahnneutrassierung - auch einmal Vernünftiges passiert, widerspricht dem nicht.

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