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Mit bemalten Möbeln leben

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Eigentlich eine alte Tradition, auf die man allerdings in unserer überkommerzialisierten, nur noch auf Rentabilität und Massengeschmack ausgerichteten Welt vergessen hat: die Tradition, daß bedeutende Künstler, Maler wie Bildhauer oder Graphiker Mobiliar entwerfen. Für berühmte Auftraggeber — man denke nur an die Makart-Ausstattung der Familie Dumba — wie für sich selbst. Aber diese Tradition ist noch gar nicht solange vergessen, als daß man sie nicht reaktivieren könnte: Noch in den Wiener Werkstätten, also vor 1932, wurde von Künstlern wie Josef Hoff mann, Dagobert Peche, Eduard Wimmer u. a. erlesenes Mobiliar entworfen und in Zusammenarbeit mit der Manufaktur handwerklich perfekt ausgeführt. Die größten Architekten des Jugendstils, Mackintosh, Guimard, van de Velde, haben exemplarische handwerkliche Leistungen hinterlassen. Und bis zu Daniello di Niccolo (1404 bis 1471) weiß man eine bedeutende Reihe von Künstlern zu nennen, die Möbel wie Musikinstrumente, Wände und Einrichtungsaccessoirs aller Art bemalten und oft komplette Ausstattungen für Feste lieferten. Nun zeigt das Museum für angewandte Kunst Möbel der Wiener Maler Erich Brauer, Henriette Florian, Ernst Fuchs, Wolf gang Hutter, Kurt Mikula und Peter Proksch. Ganz private Versuche jedes einzelnen, der genormten Wohnumwelt eigene Formen, eigene Farben, einen eigenen Wohnstil entgegenzusetzen, der jeweils aus der Zusammenarbeit eines Künstlers mit einem ausführenden Tischlermeister zustande kam.

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Eigentlich eine alte Tradition, auf die man allerdings in unserer überkommerzialisierten, nur noch auf Rentabilität und Massengeschmack ausgerichteten Welt vergessen hat: die Tradition, daß bedeutende Künstler, Maler wie Bildhauer oder Graphiker Mobiliar entwerfen. Für berühmte Auftraggeber — man denke nur an die Makart-Ausstattung der Familie Dumba — wie für sich selbst. Aber diese Tradition ist noch gar nicht solange vergessen, als daß man sie nicht reaktivieren könnte: Noch in den Wiener Werkstätten, also vor 1932, wurde von Künstlern wie Josef Hoff mann, Dagobert Peche, Eduard Wimmer u. a. erlesenes Mobiliar entworfen und in Zusammenarbeit mit der Manufaktur handwerklich perfekt ausgeführt. Die größten Architekten des Jugendstils, Mackintosh, Guimard, van de Velde, haben exemplarische handwerkliche Leistungen hinterlassen. Und bis zu Daniello di Niccolo (1404 bis 1471) weiß man eine bedeutende Reihe von Künstlern zu nennen, die Möbel wie Musikinstrumente, Wände und Einrichtungsaccessoirs aller Art bemalten und oft komplette Ausstattungen für Feste lieferten. Nun zeigt das Museum für angewandte Kunst Möbel der Wiener Maler Erich Brauer, Henriette Florian, Ernst Fuchs, Wolf gang Hutter, Kurt Mikula und Peter Proksch. Ganz private Versuche jedes einzelnen, der genormten Wohnumwelt eigene Formen, eigene Farben, einen eigenen Wohnstil entgegenzusetzen, der jeweils aus der Zusammenarbeit eines Künstlers mit einem ausführenden Tischlermeister zustande kam.

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Um so bedeutsamer, daß das Wiener Museum nun diese Schätze (größtenteils aus Privatbesitz des Künstlers) zeigt, da es doch seit seiner Gründung zu seinen Hauptaufgaben zählt, dem Kunsthandwerk wie der industriellen Fertigung Anregungen von Künstlern zu vermitteln. Und wer weiß, ob nicht so mancher Tischlermeister sich nach dem Besuch dieser Ausstellung dazu hingezogen fühlt, aus dem alten Trott der ewig gleichen, phantasielosen Formenproduktion auszubrechen und zwischendurch einmal etwas anderes, Besseres zu fertigen.

„Es geht mir, wenn ich Möbel entwerfe oder selbst mache, vor allem darum, andere anzuregen, ebenfalls, wenn auch mit noch so bescheidenen Mitteln, die eigene nähere Umgebung schöpferisch zu gestalten. Ich bin überzeugt, daß gerade in den kommenden Jahrzehnten Erzeugnisse, die ein direktes menschliches Engagement aufweisen und dadurch in mancher Hinsicht dem puren Industriefabrikat überlegen sind, gro-

ßen Wert besitzen werden ...“ Soweit zum Beispiel Erich Brauer, der hier einen großen Kleiderschrank, ein Bett, große und kleine Tische, einen Barschrank, Spiegelrahmen, eine Lampe aus seiner Ateliereinrichtung zeigt. Oder Wiens Phantasten-Papst Ernst Fuchs, der Salon-und Speisezimmereinrichtungen beisteuerte: „Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, daß ich alle jene Gegenstände, die für meinen unmittelbaren Gebrauch bestimmt sind, selbst entwerfen, selbst gestalten möchte. Und es gibt kaum ein Problem, eine Frage, ein Ding, die in diesem Sinn mein Interesse nicht wecken... Gott sei Dank ist Wien noch eine Stadt, in der der eine oder andere Kunsthandwerker die allbeherrschende Technokratie überlebt hat, um im Verein mit mir und Gleichgesinnten diesem Verfall entgegenzutreten!“ Oder der nun 36jäh-rige Peter Proksch, aus der zweiten Generation der Maler des phantastischen Realismus: ..... ich finde es dessen Denken in erster Linie auf das Menschliche gerichtet sein sollte, dem Handwerk wieder neue Impulse gegeben werden. Impulse, die letztlich auch die Industrie beeinflussen sollen, um aus der Sackgasse eines falschverstandenen Funktionalismus oder Pseudostils, wie er heute groß-teils erzeugt wird, herauszufinden.“

Das heißt, sie haben sich alle irgendwie malerische oder plastische Möglichkeiten gesucht, dem heute in Serie fabrizierten Dutzendmöbel, aber auch der Flucht in die antiken Kostbarkeiten, die Stilmöbel, zu entgehen. Sehr persönliche Lösungen waren das Ergebnis, wie alle Arbeiten zeigen. Aber die Künstler sind im wesentlichen den Formen des

Jugendstils, seinem eleganten Schwung, oder den knapperen, sachlicheren Formen der Wiener Werkstätte verhaftet. Also ein Wienerischer Möbelstil, wie er, mit Ausnahme der Möbel Brauers, liebenswürdig-koketter gar nicht gedacht werden könnte. Pretiös verspielt bei Mikula, phantastischer Manierismus bei Proksch, blumige Duftigkeit bei Hutter, symbolreiche, verspielte Bizarrerie bis schwerere Intarsienwucht bei Fuchs, der vor allem gekrümmte Flächen und geschweifte Silhouetten für seine Möbel bevorzugt. Kurz: sie ist randvoll mit Anregungen für alle, die sich unkonventionell einrichten wollen, und für alle, die mit der Herstellung von Möbeln beschäftigt sind.

Alte Techniken wurden da wieder aufgegriffen: der Tischler kann nicht einfach industriell hergestellte Spanplatten verwenden. Er muß Teile wieder selbst biegen und bekommt zum Material eine neue Beziehung, wenn er all die Hohlkehlen an Türfriesen, die händisch gearbeiteten Flachschnitzereien und auf raffinierten plastischen Gesamteindruck gegedachte Formen wirklich korrekt herstellen will. Ja, bei Arbeiten wie Ernst Fuchs' Schreibtischfauteuil nähert sich das „Meuble“ der Arbeit eines Bildhauers, ganz zu schweigen von Techniken, wie der der Arbeit mit Profllkratzer und Flammhobel, die beide zu den seit Jahren nicht mehr verwendeten Geräten zählen, kunstvollen Holzintarsientechniken, wie sie seit Beginn des 18. Jahrhunderts an Konimoden und Eckschränken angewendet wurden, oder Metallintarsien.

„Unikate einer Nullserie“ steht im Katalogsvorwort Pius M. Prutschers über diese Kreationen zu lesen. Vielleicht erfüllt sich dieser Optimismus ... Vielleicht gelingt es noch einmal, in Wien einen Wohnstil zu kreieren, in dem das vom Künstler zumindest entworfene Möbelstück wieder gefragt ist. Und vielleicht gibt es dann auch wieder Tischler, die nicht nur ihr trostloses Profitgeschäft nach Muster „Zwei glatt, zwei verkehrt“ treiben, sondern bei denen kreative Phantasie wieder eine Rolle spielt.

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