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Monokultur der Monodramen?
Fast ein Curd-Jürgens-Festival im „Theater in der Josefstadt“. Und so etwas wie Ausverkauf in Einpersonenstücken ohne Handlung. Nach dem Totalfiasko mit Hochhuths „Tod eines Jägers“, wo Jürgens freilich, und zu seinem Glück, ein längerer Auftritt an der Seite von Bernhard Wicki erspart blieb, hat nun auch er sein großes Monodram, seinen mehr als zweistündigen Monolog mit nichts als sich selber, der Dekoration und der Beleuchtung. Und auch in dem Monolog „Im Zweifel für den Angeklagten“, den David W. Rintels (warum wird denn der Übersetzer verschwiegen?) nach einem Buch von Irving Stone verfaßte, geht es um die USA, geht es - unter anderem und nicht so monomanisch versessen wie bei Hochhuth - um bedrohte Freiheit, um die Schatten auf der amerikanischen Geschichte. Und auch dieses Stück ist eine Salzburger Übernahme.
Die „Josefstadt“ unter Haeusserman als Monokultur der Monodramen? Das wäre kein Konzept für dieses Haus. Aber „Im Zweifel für den Angeklagten“ ist kein Anlaß, es ad absurdum zu fuhren, denn dieser Abend ist gelungen. Jürgens schlüpft auch hier in die Haut einer historischen Figur, ist Clarence Darrow, der berühmte amerikanische Strafverteidiger und Zivilanwalt, der von 1857 bis 1938 gelebt hat und dem nicht nur die kleinen Leute von Chicago, sondern auch die Vereinigten Staaten viel verdanken, weü er, in ejnem lebenslangen juristischen Einmann-Titanenkampf, der schamlosesten Unterdrückung des kleinen Mannes und der amerikanischen Arbeiterbewegung einen Riegel vorschob.
Theaterstück ist diese lange, aber nie langweilige Ich-Erzählung keines. Aber was macht das aus, wenn der Mann, der diesen Text spricht, und der Text, den er spricht, zwei Stunden in Atem zu halten vermögen? Gewiß nicht jeden. Gewiß ist Voraussetzung das Interesse für Justiz, und das Interesse für die Werte, für die Darrow einstand. Dieses Interesse vorausgesetzt, bietet Jürgens aber viel mehr als gesprochene Information, Faktentransport - er blättert, ganz lässig und quasi nebstbei, im großen Musterbuch eines seiner Vollendung zustrebenden Schauspielers, führt seine Mittel vor, zeigt, wie er es macht. Die Figur, in die er schlüpft, mahnt zu heiklem Zeitpunkt zur Besinnung. Darrow hat - auch! - Menschen verteidigt, die als Anarchisten angeklagt waren und denen der Strick zugedacht war. Darrow stand, unter anderem, mit seiner ganzen Person gegen die Todesstrafe ein, weil er als Kind einer Hinrichtung zusah. Er hat nicht nur Menschen verteidigt, die er für unschuldig hielt, sondern auch viele Mörder. Nicht, um sie reinzuwaschen. Nicht, um ihnen die Freiheit zu verschaffen. Aber um ihr Leben zu retten. In einem Land, das noch weit von der Abschaffung der Todesstrafe entfernt war, hat Darrow keineswegs immer auf Freispruch, aber immer gegen den Galgen plädiert — und hundert Menschen das Einzige und Letzte, das Leben, gerettet. Keiner seiner Klienten wurde gehenkt.
Es ist, wenn auch kein Theaterstück, doch ein Abend, der betroffen macht und zum Nachdenken zwingt. Und Curd Jürgens Gelegenheit gibt, daran zu erinnern, wer er (leider nicht immer) ist.
Die Wiederaufnahme des „Tod eines Jägers“ hingegen - in der „Josefstadt“ spricht Wicki plötzlich völlig verständlich. Stören die Orgelpfeifen nicht mehr. Ist dieses Hochhuth-Stück erst so gut realisiert, wie es der Text zuläßt. Und erst jetzt ist so richtig schlecht. Gibt es kein Weghören, kein Abschalten, keine Deckung mehr vor den Peinlichkeiten und Widerwärtigkeiten dieser Hemingway-Demontage, die zur Hochhuth-Selbstdemontage geriet.
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