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Neues Leben auf Londons Bühnen

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Der englische Kunstbetrieb, über dessen durch die allgemeine Wirtschaftslage bedingte Probleme und Sorgen'vor kurzem berichtet wurde, zeigt die ersten Anzeichen ieiner, echten Regeneration. Freilich, der Winter des, finanziellen Mlßvergnür gens ist noch lange nicht zum glorreichen Sommer durch ;dffe Sonne unbeschränkter Geldmittel geworden, Opernhäuser und Großtheater müssen sich immer noch nach der Decke strecken, und auf dem Spielplan der kommerziellen, Londoner Theater überwiegen nach wie vor leichte Uhterhaltühgsstücke, von denen man sich sichere Kassenerfolge verspricht. Aber, die so stark kulturell und intellektuell betonte Atmosphäre in der britischen Hauptstadt, stets ein ausgezeichneter Nährboden für künstlerisches Schaffen, das Vorhandensein eines sehr zahlreichen, kunstbedürftigen und kunstverständigen Publikums, und schließlich der Unternehmergeist und die Initiative englischer Theater-direktoren, Schriftsteller und Künstler;, all das hilf t nun auf verr sehiedenste Weise mit, die Wirtschaftskrise in der Kunst zu überwinden und Londons Stellung als künstlerisch« Weltmetropole neu zu untermauern.

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Der englische Kunstbetrieb, über dessen durch die allgemeine Wirtschaftslage bedingte Probleme und Sorgen'vor kurzem berichtet wurde, zeigt die ersten Anzeichen ieiner, echten Regeneration. Freilich, der Winter des, finanziellen Mlßvergnür gens ist noch lange nicht zum glorreichen Sommer durch ;dffe Sonne unbeschränkter Geldmittel geworden, Opernhäuser und Großtheater müssen sich immer noch nach der Decke strecken, und auf dem Spielplan der kommerziellen, Londoner Theater überwiegen nach wie vor leichte Uhterhaltühgsstücke, von denen man sich sichere Kassenerfolge verspricht. Aber, die so stark kulturell und intellektuell betonte Atmosphäre in der britischen Hauptstadt, stets ein ausgezeichneter Nährboden für künstlerisches Schaffen, das Vorhandensein eines sehr zahlreichen, kunstbedürftigen und kunstverständigen Publikums, und schließlich der Unternehmergeist und die Initiative englischer Theater-direktoren, Schriftsteller und Künstler;, all das hilf t nun auf verr sehiedenste Weise mit, die Wirtschaftskrise in der Kunst zu überwinden und Londons Stellung als künstlerisch« Weltmetropole neu zu untermauern.

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Die Tatsache, daß man für seinen Kunstgenuß bezahlen muß, wenn man ihn haben will, und zwar nicht erst mit den Eintrittskarten, sondern schon ab ovo, und daß man sich dabei nicht nur auf Vater Staat und dessen Subventionen verlassen darf, diese Tatsache beginnt sich jetzt auch in Kreisen herumzusprechen, denen solche Gedanken früher weitgehend fremd waren. Die Kunstförderung durch Handel und Industrie in England war lange Zeit hindurch fast nicht existent, und die von dieser Seite zur Verfügung gestellten Geldmittel kamen fast ausschließlich dem Sport zugute, der durch seinen Massenappeal und seine Fernsehübertragungen eine weit größere Werbewirksamkeit und damit eine gewinnbringendere Investitionsmöglichkeit darstellt. Nun aber beginnen immer mehr englische Großunternehmen zu entdecken, daß die finanzielle Unterstützung der schönen Künste nicht nur eine kulturelle Tat ist, sondern daß damit doch auch beachtliche Werbewirkungen erzielt werden können, ganz zu schweigen von den dabei besonders günstigen Möglichkeiten der Steuerabschreibung.

So waren also zum Beispiel schon im Vormonat in ganz London große, wunderschön ausgeführte Plakate zu sehen, die die bevorstehende Gala-Neuinszenierung von Verdis „Maskenball“ an der Covent Garden ankündigten, unter der Regie übrigens des Wieners Otto Schenk und mit Bühnenbildern von Jürgen Rose.

Und die Uberschrift auf diesen Plakaten lautete: Königliches Opernhaus Covent Garden in Verbindung mit Imperial Tobacco Limited und mit der National Westminster Bank präsentieren... Dieses Novum also, eine direkte Unterstützung der Covent Garden Oper durch zwei Giganten der britischen Industrie und Finanzwelt, hat diese aufwendige, glanzvolle „Maskenball-Inszenierung ermöglicht, die derzeit mit triumphalem Erfolg vor ausverkauften Häusern läuft, und iCh kann Ihnen auch versichern, daß die Werbung für Bank und Zigarettenkonzern auf die Plakate und Programmhefte beschränkt ist, und daß etwa Placido Domingo nicht in einem Kostüm singen muß, das mit Emblemen dieser beiden Unternehmen bestickt ist.

Vielleicht noch erfreulicher, noch bezeichnender für den neuen Sturm und Drang der Londoner Kunstszene ist die rege Initiative der Royal Shakespeare Company, deren Theater in Stratförd on Avon heuer seine Hundertjahrfeier begeht. Bei einer aus diesem Anlaß im Londoner Heim der Company, im Aldwych Theater, gegebenen Pressekonferenz begann der künstlerische Direktor des Ensembles, Trevor Nunn, mit den Worten: „Wir werden sowohl in Stratförd als auch in London weiterhin Theater auf höchster Ebene spielen, und wenn wir das Geld dafür aus der Bank von England stehlen müßten!“ Und dann wurde bekanntgegeben, was man in eingeweihten Kreisen schon seit einiger Zeit gewußt hatte, daß nämlich nach einjähriger Pause die berühmte Londoner Welttheatersaison in diesem Jahr wieder stattfinden wird, vom 31. März bis zum 26. April 1976.

Diese begrüßenswerte Tatsache ist in hohem Maße das Verdienst des in Wiesbaden gebürtigen britischen Im-pressarios Sir Peter Daubeny, der zehn Jahre lang alljährlich diese repräsentative Veranstaltungsreihe orr ganisiert hatte, durch die der lebendige Kontakt zwischen englischem und bestem internationalen Theater gepflegt wurde. Im vorigen Jahr hatte sich der 54jährige Sir Peter Daubey aus gesundheitlichen Gründen außerstande gesehen, die unerhörte Arbeitsleistung einer solchen Veranstaltung auf sich zu nehmen, und das finanzielle Klima trug mit dazu bei, daß sich kein anderer bereit fand, diese Aufgabe zu übernehmen. Nun aber, da Sir Peter wiederhergestellt ist und auch die nötigen Geldmittel aufgetrieben werden konnten, gab es glücklicherweise kein Halten mehr, und das Aldwych Theater verspricht, im April Schauplatz faszinierender Theaterabende zu sein.

Erwähnt man jetzt noch, daß in diesem Jahr nicht weniger als drei neue Stücke von Englands wohl bedeutendstem zeitgenössischen Dramatiker, nämlich von John Osborne, zu sehen sind oder sein werden, darunter seine Dramatisierung von Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“, und erwähnt man ferner, daß auch einige der führenden philharmonischen Orchester des Landes in steigendem Maße von der Industrie finanziert werden, dann scheint es wirklich, daß Englands Kulturszene künstlerisch und wirtschaftlich wieder auf dem richtigen Weg ist.

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