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Politische Bildung nur von oben?

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Die Ablehnung, die den jungen Historikern vom Institut für Zeitgeschichte in Wien entgegenschlug, fand nicht nur verbal ihren Niederschlag, sie war beinahe körperlich spürbar. Ihre Kritik an den in österreichischen Schulen verwendeten Geschichtsbüchern stieß auf heftigen Widerstand; diesmal nicht bei den Schulbuchautoren - nach hitzigen Debatten wurden große Teile der Studie von diesen bereits akzeptiert -, sondern bei vielen Lehrern.

Die rund 200 Gymnasial-Gesehiehts-lehrer aus ganz Österreich hatten immerhin ihre Ferien abgekürzt, um an der vom Unterrichtsministerium und vom Institut für Politische Bildung in Mattersburg veranstalteten Arbeitstagung „österreichische Zeitgeschichte“ teilzunehmen, wo ihnen Österreichs Historiker- und Politologenelite im Rahmen der nun anlaufenden Politischen Bildung neue Forschungsergebnisse zur Geschichte der Ersten Republik offerierte.

Wogegen wehrten sich viele dieser doch so engagierten Geschichtslehrer, von denen die meisten nicht älter als 30 Jahre alt waren? Zunächst einmal gegen die Versicherung, bisher als feststehend geltende historische Tatsachen zu hinterfragen, unter Umständen sogar Interpretationen zu überdecken und das aus Lektüre und Erzählungen - aus welcher Sicht immer - angenommene Geschichtsbild auf Grund neuer Forschungsergebnisse einer Revision zu unterziehen. Als ob es seit dem Abschluß ihrer Ausbildung keine neuen Erkenntnisse gegeben und sie mit 30 Jahren bereits am Ende ihrer geistigen und politischen Entwicklung stünden!

Noch stärker aber kamen die Autoritätsprobleme zum Ausdruck: wo

bliebe schließlich die Glaubwürdigkeit des Geschichtslehrers, wenn er einmal Gesagtes differenzieren oder gegenstätzliche Standpunkte wiedergeben müßte, ohne die Lösung präsentieren zu können? Damit seien Schüler - auch die der Oberstufe - überfordert, meinten sie. Vor allem aber wären sie selbst überfordert, wenn sie bei jedem Geschichtsbuch überlegen müßten, ob dieses nun den Tatsachen entsprechend geschrieben sei oder nicht.

Der tiefere Sinn der Politischen Bildung, wie sie als Unterrichtsprinzip nun an den Schulen gehandhabt werden soll, scheint den meisten Lehrern -leider auch den jungen - noch nicht ein Anliegen zu seih. Es ist doch nichts anderes als Politische Bildung, sich Schülern nicht nur als unfehlbare Autorität zu präsentieren, jungen Men-' sehen beizubringen, nicht alles, was ihnen als (scheinbar) endgültig vorgesetzt wird - und das betrifft ja nicht nur die Zeitgeschichte-, blind zu akzeptieren.

Man kann die Form des Unterrichtsprinzips anstelle eines eigenen Unterrichtsfaches für gut befinden oder nicht; solange politische Bildung nur von oben verordnet, von den Lehrern aber nicht praktiziert wird, besteht die Gefahr, daß es dem mit viel Engagement eingeführten Grundsatzerlaß zur Politischen Bildung an Österreichs Schulen ebenso ergeht wie den Erlässen zur Medien- und Sexualerziehung (wer weiß schon noch von ihrer Existenz?): nach großem Trommelwirbel ein Verlaufen im Sande.

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