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Programmatisches

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In der heurigen Saison veranstalten die Wiener Symphoniker einen aus fünf Konzerten bestehenden Zyklus, jedes Konzert wird von einem anderen Dirigenten geleitet, und primo loco steht ein Werk von Beethoven auf jedem Programm. — Das 2. Konzert am vergangenen Sonntag dirigierte Jerzy Semkow, in Krakau gebaren, etwa 35 Jahre alt, viele Jahre ständiger Dirigent am Moskauer Bolschoitheater und seit 1959 künstlerischer Leiter und erster Dirigent der Warschauer Oper. Ein Mann also, der Karriere zu machen verstand und der auch die hierfür nötigen Qualifikationen besitzt.

Das 2. Klavierkonzert von Beethoven, bereits 1795 komponiert und aufgeführt, zeigt — wie das Programmheft richtig vermerkt —, daß noch mozartsche Züge an seiner Physiognomie mitformend beteiligt waren. Das schienen, übereinstimmend, auch Dirigent und Solist Walter Klien so zu empfinden, in Details gab es Differenzen, im übrigen musizierten sie „ohne besondere Kennzeichen“ (freilich auch ohne Übertreibungen und ausdruckslose Passagen) ein wenig glatt dahin.

Tschaikowskys Fünfte, ein altersloser Parade-Reißer (und ein prächtiges Musikstück dazu) ließ alle Qualitäten des Dirigenten und des Orchesters (kein einziger Hom-gickser!) in, vorteilhaftestem Licht erstrahlen. Was das Dynamische betrifft, so ist Semkow keineswegs unter die Leisetreter zu zählen, aber der Ton wird auch im fff-Tutti nie unschön und brutal. Wie seine älteren russischen Kollegen, zeigt auch Semkow die Tendenz, diese Tschai-kowsky-Symphonie als das Werk eines Klassikers zu präsentieren und ihr durch das unvermutete Hervorheben einzelner wichtiger, bei uns aber oft übersehener, zu wenig verdeutlichter Nebenstimmen, immer neue Reize abzugewinnen. — Das stets ein wenig „angezogene“ Tempo bewirkte eine Verkürzung der Spieldauer gegenüber der westeuropäischen Norm um volle vier Minuten. — Um so länger und lebhafter wurde allen Ausführenden applaudiert.

Es ist “begreiflich, daß die Wiener Symphoniker mit diesem Konzertzyklus bei „ihrem“ Publikum einen hundertprozentigen Erfolg haben wollen und dementsprechend die Programme konventionell gestalten. Ein Nebenzweck mag sein, jüngere, wenig bekannte Dirigenten „auszuprobieren“. Aber nun, da sie in Carlo Maria Giulini einen ständigen künst- , lerischen Leiter gefunden haben, möchten wir empfehlen, wieder zum Brauch früherer Jahre zurückzukehren und ab 1974/75 in jedes Programm ein neueres Werk aufzunehmen. Das Publikum wird, wenn man es nicht überfordert, nicht versagen.

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