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Mit drei großen B

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Auf dem Programm des 2. Abends im Zyklus „Orchesterkonzerte", die im großen, renovierten Konzerthaussaal stattfinden, standen Beethovens 3. Leonorenouvertüre, Alban Bergs Violinkonzert und die Zweite von Brahms. Zunächst etwas zu den Personalien der Interpreten:

Der Dirigent Klaus Tennstedt, 1926 in Merseburg geboren und in Leipzig ausgebdldet, begann seine Karriere in Halle, Chemnitz, Dresden und Schwerin und landete schließlich als GMD in Kiel. Auf der letzten Station seiner DDR-Lauf- bahn lernte Gottfried von Einem anläßlich einer Aufführung seines „Danton“ den Künstler kennen, bewog ihn, in den Westen zu übecsie- deln und ebnete den Weg zu ersten Engagements und Gastspielen, die inzwischen in Berlin, München und in Übersee stattgefunden haben. Besonders setzte sich Tennstedt für neuere Werke ein und dirigierte in Boston, im Rahmen seines Gastvertrages, wiederholt Werke von Bruckner Brahms und Mahler.

Auch in seinem ersten Wiener Konzert am vergangenen Freitag bot er diese gute Mischung. Er begann mit der 3. Leonorenouvertüre, deren erste Hälfte er anscheinend als „heiter und ausgelassen“ auffaßt. Aber am Schluß fehlte es nicht an Dramatik, wenn auch an einer etwas mehr lautstarken als innerlich erlebten. Dann, im Mittelpunkt des gutbesuchten Konzerts, Alban Bergs letztes Werk — an dieser Stelle wiederholt besprochen, immer wieder er-

greifend durch seine Melancholie, seine Abschiedsstimmuing, seine hektischen Aufschwünge, und immer wieder seine stilistische „Gebrochenheit“ dokumentierend: Zwölftöniges wird mit einer Kärntner Volksweise und zum Ausklang mit einem Bach- Chorai amalgamdert. — Der Solist war, gleichfalls zum erstenmal in Wien auftretend, der junge russische Geiger Oleg Kagan, an der pazifischen Küste geboren, in Riga aufgewachsen, ein Wunderkind, bald an die Baumschule des Moskauer Konservatoriums versetzt, seit 1964 Sieger in mehreren internationalen Wettbewerben und heute in der halben Welt umherreisend.

Es ist ein .gutess Zeichen für einen jungen Künstler, wenn er dieses schwierige, anspruchsvolle, technisch heikle, aber, was Brillanz betrifft, nicht gerade dankbare Stück in sein Programm nimmt. — Und Kagan Spielte seinen Part mit hör- und sichtbarer innerer Anteilnahme und hohem Einfühlungsvermögen ineinen Stil, mit dem er ja schließlich nicht auf gewachsen ist. Aber: klingt sein Instrument ein wenig stumpf, ist sein Ton etwas schwach — oder war das Or chester zu laut, zumindest an einigen Stellen nicht vorsichtig genug geführt: der Solopart, sowieso schon sehr fragil, wurde von Herrn Tennstedt zuweilen zugedeckt. Und gleich zu Beginn hat irgend etwas mit den Bläsern nicht geklappt.

Die Zweite von Brahms: brav, möchte man sagen. Besser jedenfalls,

als sie die bekannten Senkrechtstarter unter den jungen Dirigenten machen, doch stellenweise auch ein wenig trocken. Was fehlte, waren die feinen Valeurs, die Zwischenstufen, das Clair-obscur der nur Brahms eigenen Tonsprache, die sich nicht nur im Melischen, sondern auch in der Orchestrierung ausdrückt. Im ganzen ein wenig zu flott und unbeschwert, auch für diese 2. Symphonie (die „Pastorale“ von Brahms, wenn man will). Und in der Tat unterbot der Dirigent den langjährigen Durchschnitt um mindestens drei Minuten — was bei einem Werk mit einer Dauer von 40 Minuten nicht unbemerkt bleiben kann. Und vergessen wir nicht, daß Herrn Tennstedt für sein Debüt bei uns die Wiener Symphoniker zur Verfügung standen, ein nicht nur in allen dargebotenen Werken bestversiertes, sondern auch ein gutartiges Orchester, das sich den Anweisungen eines

Gastes, falls er sich nicht schon bei der ersten Probe als Dilettant erweist, willig fügt. Ihnen gebührt der Großteil des Applauses in dem akustisch verbesserten Saal, wo das Publikum jetzt auch nicht mehr von entbehrlichen Lüstern und Lampen angestrahlt wird — wo hingegen das Orchester bestens beleuchtete Pulte hat.

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