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,Schmiert die Guillotine.. '

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Vor 40 Jahren hat bekanntlich Deutschland eine Regierung bekommen, die einen Weltkrieg verloren hat. Infolgedessen sind viele Deutsche vom Feind (oder auch von den Eigenen) umgebracht, zahllose ins Elend gestoßen worden; ins Elend im altdeutschen Wortsinn, in die Heimatlosigkeit. Dennoch sind heute, fast 30 Jahre nach Kriegsende, manche Deutsche wieder reich geworden. Mehr noch — manche Deutsche sind gar nie ruiniert gewesen; und es gibt Häuser, welche seit Jahrhunderten auf bedeutendem Eigentum sitzen. Die Häuser Bayern und Oettingen zum Beispiel sitzen seit über tausend Jahren auf der Väter Scholle... Dieses verdrießt nun Bernt Engelmann. Und er hat ein Buch geschrieben, um sich darüber zu beklagen. Und wer ist Herr Engelmann? Ein tapferer Mann jedenfalls. Auf Seite 144 seines Buches stellt er fest, daß es „keine objektive Begründung gab“ für die Bezeichnung Wilhelms I. als Heldenkaiser. Um dies von einem Fürsten behaupten zu können, der zum erstenmal mit 17, zum letztenmal mit 74 Jahren an einer Schlacht teilgenommen hat, muß Herr Engelmann höchst ehrenvolle Kriegsdienste aufzuweisen haben; wir wissen es nur nicht, ob er das deutsche Ritterkreuz, den sowjetischen Siegesorden oder die amerikanische Kongreßmedaille verliehen bekommen hat. Gewiß, das ist ein ehrenwerter Mann.

Ein Historiker dagegen ist er nicht. Zwar bemüht er sich, die Geschichte von Deutschlands reichen Familien für viele Jahrhunderte zu geben, doch scheut er sich dabei nicht, Veh-ses Geschichte der deutschen Höfe zu

zitieren. Sopienti sat — wir könnten damit unsere Rezension abschließen; denn es ist das etwa so, als ob einer die Bedeutung der Juden für Deutschlands Musik unter Heranziehung des einschlägigen Buchs von Richard Wagner schilderte. Doch wollen wir seine Methode der Geschichtschreibung mit einzelnen Beispielen illustrieren. Ein mir aus der Nähe bekannter Fall soll den Anfang machen! Zu drei Malen wird hervorgehoben, daß Gottfried Bismarck in der SS und unter Hitler in Amt und Würden war. Aber kein Wort davon, daß seine Haltung es zum Beispiel mir erlaubte, mich im Jahre 1942 vertrauensvoll an ihn in einer höchst empfindlichen Angelegenheit zu wenden... Nur wäre freilich im allgemeinen von Engelmanns Einstellung in Sachen Nationalsozialismus zu reden. Sein Prinzip ist einfach — und uns aus der kommunistischen Rechtsprechung nach 1945 wohlbekannt. Nämlich — war ein Graf oder Fürst Nationalsozialist, dann wird ihm das bitter vorgeworfen. War er keiner, so hilft's Ihm auch nichts; er war ja eben Graf oder Fürst. Das gilt auch und besonders für die Männer des 20. Juli. Ja gewiß, sie haben ihr Leben hingegeben im Kampf gegen den Nationalsozialismus — aber nicht für den anderen Sozialismus ... Anderswo urteilt Engelmann ähnlich.

Gerade die vorhin genannten tausendjährigen Häuser waren ja keine Nazis (im Gegenteil); kein Grund für Engelmann, sie zu schonen. Dabei kommt dann die geschichtliche Wahrheit zu kurz. Seite 14 heißt es von dem Fürsten zu Oettingen und seinen Untertanen: „Er konnte siel

wenn er Lust hatte, einzeln verschenken“; Unsinn. Und wenn S. 47 von dem „winzigen Kurfürstentum Bayern“ die Rede ist, dann können wir auch nichts anderes sagen als: „Unsinn.“ Dem ist noch hinzuzufügen, daß auch Engelmanns Sprachgebrauch nicht immer korrekt zu sein scheint. S. 139 ist von der nach 1918 entstandenen Frage die Rede, „ob das gesamte Fürstenvermögen ohne Entschädigung enteignet werden sollte oder nicht“. Wenn anders wir deutsch können, so kann von Enteignung die Rede sein, wo Eigentum zwangsweise, aber gegen Entschädigung, entzogen wird; andernfalls ist von Konfiskation die Rede.

Bei all dem bleibt wahr, daß die Leute, deren Besitzstand Engelmann beklagt, durchaus nicht alle besonderer Zuneigung wert sind. In der heutigen deutsehen Prominenz — in der deutschen Rechten nach 1918 — in den herrschenden Klassen des Hohenzollernreichs ist für den Beobachter manch ein wahres Ekel zu bemerken; und auch in alten Zeiten hat es böse Fürsten und ruchlose Minister gegeben. Doch gerade wenn der Geschichtsfreund es begrüßen wür-

de, daß Unrecht verurteilt wird, gerade dann muß er wünschen, daß berechtigte Verurteilung nicht in uferlosem, allgemeinem, grundlosem Gekläff untergeht. Unsere Unzufriedenheit mit Engelmanns Buch beruft sich auf eine Wahrnehmung des alten Drumont. „Es ist nicht gut“ — meint dieser —, „wenn ein Schurke von sich sagen kann: Ach was, es gibt einen, über den noch mehr Übles geredet wird, und das ist ein vollkommener Ehrenmann.“

Übrigens beginnt der Autor sein Werk „Mit der Bitte um Kenntnisnahme“ — das heißt — wenn wir recht verstehen — mit der Bitte, nichts in diesem Buch als k 1 a g-b a r e Beleidigung aufzufassen. Nur als Aufforderung zur Konfiskation. Was hiemit zur Kenntnis genommen wird.

DAS REICH ZERFIEL, DIE REICHEN BLIEBEN. Deutschlands Geld- und Machtelite. Mit Rangliste der 500 großen alten Vermögen. Von Bernt Engelmann. Hoffmann und Campe, 1972. 400 Seiten.

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