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Sehr österreichisch

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Bereits 1816 gab es in Wien eine „Musikleihanstalt“, die einem gewissen Friedrich Mainzer gehörte. 1857 kaufte Ludwig Doblinger das Geschäft und verlegte es in die Dorotheergasse, wo es sich heute noch befindet. Aber erst 1876, als der aus Mähren stammende Bernhard Herzmansky die Firma übernahm - wobei er den Namen Doblinger beibehielt -, wurde von den vier Sparten (Musikalienhandlung, Antiquariat, Notenleih-Abonnement und Verlag) letztere forciert, ohne daß man die übrigen vernachlässigte. Die von Herbert Fogg verfaßte ausführliche Verlagschronik gehört zu den amüsantesten Büchern dieser Art. Hier kann man nachlesen -was jedem Musikfreund Wiens bekannt war -, wie Herzmansky begonnen hat. „Cum Deo“ zwar, aber zunächst keineswegs mit Kirchenmusik, sondern mit der vierhändig gesetzten „Emma-Quadrille“ und den „Tanzliedern der Jugend“. Mit Schlagern also, von denen viele in sehr großen Auflagen erscheinen konnten.

Mit der Gewinnung der Werke Zieh-rers tat Herzmansky den ersten großen Fischzug, dem bald weitere folgen sollten. Vor allem auf dem Gebiet der Operette Lehärs „Lustige Witwe“ und „Ein Walzertraum“ von Oscar Straus brachten im Lauf der Jahre, nach heutigem Geld, Millionen. Aber sehr bald druckte man auch nachgelassene Werke von Franz Schubert und Klavierstücke von Schumann - und (leider ohne Jahreszahl) die 1. Symphonie von Anton Bruckner sowie weitere vier Symphonien des Meisters, dessen „Hausverlag“ Doblinger-Herzmansky wurde. Dem Vater Bernhard Herzmansky folgte Herzmansky junior und diesem Christian Wolff, der Enkel des'Gründers. Mit ihm und dem ehemaligen Musikkritikerund Musikologen Herbert Fogg als Produktionsleiter begann eine neue Ära.

Jetzt konnte man sich - nach einer trüben Zeit, die 1938 begann - bald den als wesentlich erkannten Aufgaben widmen: der Musikpädagogik, der Kammermusik, dem Chorgesang und den zeitgenössischen österreichischen Komponisten, von denen mehr als drei Dutzend hier ihre Heimat fanden, vom Verleger nicht nur verlegt, sondern auch betreut. Nennen wir nur einige Namen: Angerer, Dallinger, Eder, Gruber, Heiller, Kaufmann, Kropfreiter, Kubizek, Markhl, Uhl, Schiske, Schollum, Schwertsik, Tittel, Urban-ner und andere. Aber die „Richtung“ war keine Bedingung. Man nahm sich auch der Werke von Friedrich Wildgans, des Schönbergschülers Hans Erich Apostels sowie des im englischen Exil lebenden und vor kurzem verstorbenen letzten großen alten Mannes der neuen Musik, Egon Wel-lesz, an.

Sehr österreichisch war dann auch der Festakt im vollbesetzten Großen Musikvereinssaal in Anwesenheit des Bundespräsidenten, des Kardinalerzbischofs von Wien und, neben vielen Musikern, Musikfreunden und Künstlern aus allen Riehtungen, zahlreicher Politiker. Die fünf Festredner, unter ihnen der Präsident des Deutschen Musikverlegerverbandes, zeichneten sich durch lobenswerte Kürze ihrer Laudationes aus. Nicht vorgesehen im Programm war die Ankündigung, daß der Verlagsleiter wegen seiner Verdienste um die Musica sacra mit dem Silvester-Orden ausgezeichnet und dem Musikhaus Doblinger die Erlaubnis erteilt wurde, künftig das Staatswappen in seinem Firmenschild zu führen. Es war wie zu Kaisers Zeiten, als man zum Hoflieferanten ernannt wurde...

Zwei Auftragskompositionen leiteten die Feier ein und aus: Anton Heillers „Jubilatio“ für Orgel, ein gewaltig-schwungvolles Stück, in einer Ex-pressivität an Messiaen erinnernd und -von Peter Planyavsky mit Virtuosität vorgetragen; zum Schluß ein Oratorium für Soli, Chor und Orchester von Helmut Eder <auf einen drei Druckseiten umfassenden Text mit dem Titel „Non sum qualis eram“. Mit diesem 50-Minuten-Werk hat der Salzburger Komponist seinem Verleger ein gewichtiges Geschenk gemacht, ein Oratorium unserer Zeit, das in wirkungsvollen Chören und Chorälen, ausdrucksgeladenen Soli von Edith Gru-berovä, Ernst Schramm und Robert Holl nach der Höllenfahrt des Zweifels zum leeren Grab zu der Erkenntnis führt: „Gott muß sein“, und in der Bitte ausklingt: „Gib, daß wir in Gnad' Dein Wege gehn grad, schenk friedliche Zeit; sei der, der verzeiht, und segne unser Fragen!“ Das ist mit modernsten Kompositionsmitteln -Klangflächen, Clusters und einem manchmal verwirrenden Liniengestrüpp der Chor- und Orchesterstimmen (ORF-Ensemble) ausgeführt, während sich die Soli in kantablen Linien außerhalb dieses Klangchaos bewegen. Ein besonders glücklicher Einfall des Komponisten war der Einbau zweier Mini-Messen mit ökumenischem Text im 1. und 3. Teil. Für das Publikum wohl ziemlich schwere Kost. Aber würdiger Abschluß eines imposanten Festaktes.

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