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Stätte der Wissenschaft

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Im Jahr 1631 legte Kaiser Ferdinand II. den Grundstein für die neue Kirche des Jesuitenordens, dem einige Jahre vorher theologische und philosophische Fakultät der Wiener Universität anvertraut worden war.

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Im Jahr 1631 legte Kaiser Ferdinand II. den Grundstein für die neue Kirche des Jesuitenordens, dem einige Jahre vorher theologische und philosophische Fakultät der Wiener Universität anvertraut worden war.

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Am 22. November feierte Kardinal Franz König den 350. Geburtstag der Wiener Universitätskirche mit einem Festgottesdienst. Das kirchliche und das akademische Wien gedachten der Grundsteinlegung im Jahre 1631. Dem Bau der Kirche ging 1551 die Berufung der ersten Jesuiten voraus, an ihrer Spitze Claudius Jajus. Im Jahr darauf folgte Petrus Canisi- us, heiliger Schöpfer des katholischen Katechismus. 1553 wurde das Wiener Jesuitenkolleg eröffnet.

Der 1540 anerkannte Orden betätigte sich in der Seelsorge (Individual- und Standesseelsorge, Mi-

litärseelsorge), im höheren Unterricht (Gymnasien und Universitäten), in der Heidenmission in Ostasien und Südamerika und stellte an zahlreichen Höfen Beichtväter von großem Einfluß (Lissabon, Madrid, München, Wien, Paris).

Besonders erfolgreich waren die Patres im Unterricht. Schon 1556 war ein großer Teil von ihnen in der Lehre tätig. 1599 gab sich der Orden seine eigene „Ratio Studiorum“ und 1600 verfügte er über 353 Niederlassungen mit 245 Kollegien; 1710 waren es 1190 Niederlassungen mit 770 Kollegien. Im deutschen Sprachraum bestanden 70 Kollegien. Im alten Österreich gab es solche in Wien, Graz, Linz, Innsbruck, Klagen- furt, Feldkirch, Laibach, Agram, Kaschau, Budapest, Prag, 01- mütz, Krakau etc. Die Universitäten Wien, Graz, Innsbruck, Prag lagen teilweise in den Händen der Jesuiten.

Die Übergabe der theologischen und philosophischen Fakultäten an die Jesuiten erfolgte durch Kaiser Ferdinand II. und die „sanctio pragmatice“ genannte Urkunde von 1623. Damit erhielt der Orden nicht nur fast alle Lehrkanzeln der genannten Fakultäten, sondern auch Sitz und Stimme im Universitätskonsistorium, die Verwaltung der Bursen und Stiftungen, sowie einen Teil der Universitätsgebäude (Collegium ducale, Schola philosopho- rum, Bibliotheksgebäude in der Postgasse, das Barbarastift u.a.).

Nach 1627 entstand der Komplex des Akademischen Kollegs

durch Einbeziehung der genannten älteren Gebäude zwischen Seipelplatz, Bäckerstraße, Postgasse, Schönlatemgasse und Jesuitengasse. Um 1720 erhielt der Komplex einen dritten Stock. Damals wurde im Trakt Bäckerstraße der 3000 stehende Studenten fassende und noch bestehende Tlfeatersaal und das Refektorium im Trakt Postgasse gebaut, das dann bis 1884 Unterer Bibliothekssaal, dann Kassensaal der Postsparkasse, Drucksaal der Staatsdruckerei, Exerziersaal, Amtsraum der Wiener Polizei gewesen ist und nun als Universitätsmuseum eine Ausstellung über „Die Wiener Universität und die Jesuiten“ zeigt.

In der Zeit zwischen 1551 bzw. 1623 und der Aufhebung des Ordens (1773) entfalteten die Patres eine großartige Tätigkeit. Neben dem genannten Canisius verehrt die österreichische Provinz zwei weitere Ordensheilige, die mit der Universität Wien verbunden sind:

Die Darstellung Noahs, für die Errettung dankend, ist einer der eindrucksvollen Holzschnitte Robert Hammerstiels zu 30 alttestamentarischen Themen, (DAS ZEICHEN KAINS, Texte Karl Schaedel, Luther-Verlag Bielefeld 1981, 72 Seiten, öS 167,20)

Stanislaus Kostka und John Ogil- vie.

Bei der Aufhebung des Ordens wurde von einer eigenen Kommission festgestellt, daß Österreich ohne die Exjesuiten in der Wissenschaft nicht werde aus- kommen können.

Unter den Ordensdichtem sind Nicolo Avancini und Michael Denis hervorzuheben. Die theatralische Tradition des Ordens hat Europa das Theater erhalten. Die Universitätsbibliothek wurde 1777 aus den Beständen der aufgehobenen Jesuitenbibliotheken neu begründet.

Vor allem aber hat der alte Jesuitenorden die Universitätskirche hinterlassen. Kaiser Ferdinand II. legte 1631 den Grundstein. Die frühbarocke Fassade flankieren zwei Türme. In sechs Nischen befinden sich die Statuen der hl. Katharina (Patronin der philosophischen Fakultät), des hl. Josef, des hl. Leopold, der hl. Barbara, der Ordensheiligen Ignatius und Franz Xaver. Die Kirche hat das Patrozinium Mariae Himmelfahrt.

Die Fresken im Inneren der Kirche stammen von Andrea Pozzo (1709 in Wien gestorben). Er hat die Kirche durch eine perspektivische Kuppel verändert. Die Kuppel wird von symbolischen Gestalten bevölkert, Engelssturz, Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, die Aufnahme Mariens in den Himmel.

Die Seitenaltäre sind paarweise angeordnet und versinnbildlichen ein ausgeklügeltes Programm: symbolisiert sind die Theologie, die Philosophie, die Hl. Familie, die Ordensfamilie.

Wenngleich die Kunstgeschichte heute die Existenz eines „Jesuitenstils“ leugnet, wird man die Kirche doch durch die Hand von Andrea Pozzo als mit der Jesuitenarchitektur in der Welt verbunden ansehen dürfen. Pozzo wirkte ja nicht nur als Architekt (so zum Beispiel von San Ignazio, Rom), sondern auch als Verfasser der „Perspectiva pictorum et archi- tectorum“ (1693-98).

Nach der Aufhebung des Ordens 1773 betreuten die Schwarzspanier die Kirche, 1857 konnte der neugegründete Orden in sie zurückkehren. Mit Recht wird ein mit der Geschichte Österreichs, Wiens und der Wissenschaft verbundenes Gotteshaus gefeiert.

Der Autor ist Universitätsarchivar in Wien.

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