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Symptomatische Autorenförderung?

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Sehr geehrter Herr Hofrat Doz. Dr. Schmitz,

da Sie mir als verantwortlicher Leiter der Kulturabteilungen unserer Landesregierung genannt worden sind, wende ich mich mit meinem Anliegen an Sie. Von der Kulturabteilung der Landesregierung wurde ich eingeladen, in St. Pölten aus meinem neuen Buch vorzulesen. Ich wurde freundlich eingeladen, man hat sich vorher und nachher bei mir bedankt, auch für den Zuhörermangel entschuldigt, und ich habe das vorgesehene Honorar bekommen. Da die Landesregierung zizerlweise und mit enormen bürotechnischen Schwierigkeiten nach St. Pölten übersiedelt, habe ich unter besonders ungünstigen Umständen lesen müssen, anderseits haben sich vorhandene Verständnis-Probleme - unter denen auch Kolleginnen und Kollegen leiden, nicht nur ich - dabei nur extrem deutlich gezeigt.

Meine Lesung fand während der St. Polmer Kultur- und Festwochen statt, ohne zu diesem Programm (dessen Veranstaltungen bereits Wochen vorher bekanntgemacht und beworben worden waren) zu gehören, sodaß ein Termin außerhalb dieser Zeitspanne sinnvoller gewesen wäre. Ich las in einem neuen Bürogebäudekomplex, der nach Büroschluß zugesperrt wird, sodaß jeder Zuhören wollende vor der richtigen Glastür warten mußte, bis von innen jemand aufsperrte. Einladungen waren verschickt worden, Plakate gab es nicht, fünf Zuhörer kamen durch. Es ist zu begrüßen, daß man Kulturinitiativen trotz Übersiedlung nicht abreißen lassen will, aber gäbe es nicht in St. Pölten geeignetere Räume für Lesungen? Die Landesregierung ist nicht irgendein Veranstalter, und auch wenn alles nur durch die Übersiedlung so gelaufen ist: das Übersiedeln wird dauern.

Die Vorstellung, daß Schriftstellerinnen die Öffentlichkeit scheuen und nichts nötiger brauchen als Zurückgezogenheit, kommt verbreiteten Denkgewohnheiten fatal entgegen. Schreibkünstler werden bei uns nur beachtet, wenn etwas nach Skandal riecht oder jemand laut und früh genug „Skandal" gerufen hat, sodaß Nicht-Skandal verdächtiges von vornherein die Bewertung „nicht interessant" zu schleppen hat und eine „stille" Förderung als angemessen erscheinen kann. Honorar oder eine Subvention zu bekommen, ist erfreulicher als nichts zu bekommen, aber „Förderung", einmal richtig verstanden, kann für Schreibende nur bedeuten: den Autor beziehungsweise das Werk und diejenigen, für die das Werk gemacht worden ist, mit geeigneter Öffentlichkeitsarbeit zueinander zu bringen. Bei Druckkosten kann ein Geldbetrag nicht nur wirksam, sondern auch ausreichend helfen, ein Bücher-Ankauf für Büchereien ist primär eine Geld-Frage (obzwar das Vorhandensein eines angekauften Buches in einer Bücherei nicht alles ist, was zugunsten der Leser getan werden kann), aber wo man zum Vorlesen eingeladen ist, sind das Allerwichtigste - pardon - die Zuhörer.

Da ich bisher ein eigenes Erlebnis geschildert habe, riecht vielleicht auch alles Folgende noch nach gekränkter Eitelkeit, diese Randerscheinung meiner Äußerungen muß ich als Schreibende in Kauf nehmen.

Seit Jahren leben wir mitten im Trend des Herzeigens. Ausstellungen, Sammlungen, Sonderschauen, für alles findet sich ein entsprechend bewegliches, interessiertes Publikum. Daß Lesungen üblicherweise schlechter abschneiden, liegt also nicht nur am Publikum, und nur an den Schreibenden kann es auch nicht liegen; interessanter als eine Bierdeckel-Sammlung oder eine Beichtzettel-Ausstellung sind Schriftstellerinnen mühelos und von Natur aus. Es liegt auch nicht nur an der Landesregierung, daß Sprachkunst, Sprach-Ar-beit in Österreich so wenig Ansehen hat, aber die Landesregierung ist nicht irgendjemand, sie könnte an der Misere vielleicht etwas ändern, von der unauffällig-verständnisvollen Förderung zu Präsentationen, Autorenlesungen unter wirklich förderlichen Umständen (in St. Pölten, warum nicht?) übergehen und - das ist vielleicht der eigentlich wunde Punkt -einmal sich selbst und der Öffentlichkeit bestätigen, daß man mit so manchem Werk, das in Österreich durch Schreiben zustandegebracht wird, auch - in beiden Varianten des Doppelsinns - etwas anfangen kann.

Hochachtungsvoll

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