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Telephon mit„f“
Etwa 130 Jahre ist das nun her, da glaubte man, Schreien sei als Verständigungsmittel zwischen zwei Menschen aus der Mode gekommen. Man hatte das Telephon erfunden, und man hatte ihm, den alten Griechen das Vokabular abschauend, einen recht attraktiven Namen gegeben.
Seit man, nicht mehr so humanistisch orientiert, das Ding vielerorts schon mit „f“ schreibt, hat es sich auch sonst einigermaßen verändert. Zum Nachteil. Ich spreche gar nicht von der Gefahr des drohenden Bildtelephons, dem man, bei Anruf vielleicht gerade dem Bade oder anderen intimen Orten entsteigend, notfalls das Auge zuhalten könnte.
So rufe ich meinen Freund Hugo an. Und ich höre: „Hier spricht der automatische Anrufbeantworter der Nummer 12 34 56.“ Das Weitere warte ich erst gar nicht ab, denn ich weiß schon, was kommt.
Und ich, der ich einem Zuckerlautomaten weder durch wiederholten Einwurf von Zehnschillingstük-ken noch durch gutes Zureden auch nur ein einziges Bonbon entlocken kann, ich, der ich auf hundert Kilometer langen Straßenstücken jeder automatischen Ampelanlage nur bei rot begegne, bekomme nach dem
fünften Versuch, Hugo live zu erreichen, Alpträume.
Ich rufe, weil in der Küche ein Leitungsrohr geplatzt ist, bis zu den Hüften im Wasser stehend den Installateur an. Sein Anrufbeantworter teilt mir mit stoischer Ruhe mit, daß der Meister derzeit nicht im Betrieb sei, ich aber, natürlich erst nach dem Pfeifton, eine Nachricht hinterlassen könne.
Ich rufe, knapp vor dem Herzstillstand, die Rettung an. Der dortige Anrufbeantworter ersucht mich mit Computerstimme, nach dem Pfeifton meinen Zustand, mit exakten Blutdruck-, Puls- und Temperaturangaben, Alter, Geschlecht, Sozialversicherungsnummer sowie Adresse, Aufzug vorhanden, ja oder nein, aufs Band zu sprechen, man werde bei Gelegenheit meinen Fall schnellstens bearbeiten. „Sie haben zehn Sekunden Zeit, pieps.“
Und ich rufe meinen Rechtsanwalt an, höre abermals einen unerbittlich sein Sprücherl aufsagenden
Automaten, und ich hege den Verdacht, daß die Sekretärin danebensteht, mein brav gestammeltes Testament hämisch grinsend mitanhört und das Band hierauf löscht. Ich gehe bereits auf sadistischen Erfinderfüßen und überlege, wie ich den Anrufbeantworterautomaten einen - zuerst kommt doch immerhin das Ei - Anruf automaten gegenüberstellen könnte„Hier spricht“, würde er dann in Hugos Leitung hineinsagen, „der automatische Anrufer der Nummer 98 76 54. Der Eigentümer des Anschlusses ist derzeit leider nicht zu Hause, ruft Sie aber trotzdem an und blockiert Ihre Leitung bis zum Pfeifton. Hören Sie sich aber bis dahin an, was er Ihnen nicht selber sagen kann -will - Nichtzutreffendes bitte löschen.“
D ie Herren Philipp Reis und Alexander Graham Bell, als Telephonerfinder der seligen sechziger und siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts konkurrierend, würden ihr mißratenes Kind heute vermutlich weglegen.
Und sie würden zu etwas, was mittlerweile ohnehin nicht gänzlich abgekommen ist, zurückgreifen. Zum Schreien.
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