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Traditionsverbunden und offen

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Zum 100. Male jährte sich der Geburtstag einer der bedeutsamsten und markantesten Gestalten der österreichischen Kirchenmusik in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Der Name Ferdinand Habel ist vor allem untrennbar mit dem damals neugegründeten Dommusikverein zu St. Stephan in Wien verbunden, dem er von 1921 bis 1946 als einziger Laie zu seiner Zeit Vorstand. Als der 16jährige Musikstudent aus einfachen, bescheidenen Verhältnissen von seiner Heimat im böhmischen Erzgebirge nach Wien zog, war in ihm, der überwältigt war vom ersten Eindruck der Größe und Würde des Domes, der Wunsch geboren worden: „Hier möchte ich einmal zur Ehre Gottes musizieren…”

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Zum 100. Male jährte sich der Geburtstag einer der bedeutsamsten und markantesten Gestalten der österreichischen Kirchenmusik in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Der Name Ferdinand Habel ist vor allem untrennbar mit dem damals neugegründeten Dommusikverein zu St. Stephan in Wien verbunden, dem er von 1921 bis 1946 als einziger Laie zu seiner Zeit Vorstand. Als der 16jährige Musikstudent aus einfachen, bescheidenen Verhältnissen von seiner Heimat im böhmischen Erzgebirge nach Wien zog, war in ihm, der überwältigt war vom ersten Eindruck der Größe und Würde des Domes, der Wunsch geboren worden: „Hier möchte ich einmal zur Ehre Gottes musizieren…”

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Vorerst genoß Ferdinand Habel eine gründliche Ausbildung bei Josef Böhm und Josef Labor und wirkte in den ersten oft bitteren Jahren seiner beruflichen Laufbahn als Organist (1894 bis 1897) und Chordirektor (1897 bis 1921) an der Pfarrkirche der PP. Dominikaner in Wien, als Theorielehrer an der Lehranstalt für Kirchenmusik des Wiener Cäci- lienvėreines (1903 bis 1907), am Lehrseminar in Wien (1905 bis 1913) und als Dozent für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Wiener Lehrerakademie (1909 bis 1913). Dann erfolgte seine Berufung an die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien (1913), an der er auf Grund seines hervorragenden musikpädagogischen Wissens und Könnens für eine ganze Musikergeneration Österreichs zu einem Begriff wurde. Vorlesungen über Theorie und Praxis der katholischen Kirchenmusik an der Universität Wien (1924) ergänzten das Bild seines pädagogischen Wirkens.

Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn gründete Habel mit Freunden den ehemaligen Sängerbund „Dreizehnlinden” (1895), der bald zu einem Treffpunkt des christlich-sozialen Wien wurde. In den Zwischenkriegsjahren wurden mit Werken der großen Klassiker und Romantiker, vor allem auf dem Gebiet des Oratoriums, Höhepunkte erreicht.

Der Schwerpunkt des musikalischen Wirkens lag aber nach wie vor auf dem Gebiet der Kirchenmusik. Habel ließ sich von Grundsätzen leiten, die nach und nach zu einer Blütezeit der Dommusik führten und Vorbild wurden: Enge Traditionsverbundenheit, gepaart mit der Pflege aller Stilarten, vom Choral bis zu den Schöpfungen der Neuzeit, ohne Einseitigkeit, obschon der cäciliani- sche Stil Leitfaden blieb; vollkommene liturgische Korrektheit und möglichst künstlerische Darbietung.

Das Repertoire war unglaublich reichhaltig. Es gab und gibt wahrscheinlich wohl keinen anderen Kirchenchor oder nur wenige Domchöre, die auf einen derart reichen und mannigfaltigen Bestand an Notenmaterial hinweisen konnten wie die damalige Domkapelle. Was in 25 Jahren des Wirkens in „seinem geliebten Dom” an Ur-, Erst- und sonstigen Aufführungen geboten wurde, ist geradezu staunenswert: 71 Erstaufführungen von Messen, sieben des Te- deum, elf Uraufführungen von Messen und zahlreicher anderer Werke (wie Stabat mater oder Psalmen). Das große, wertvolle Bestände an alten und neuen Handschriften und Erstdrucken enthaltende Archiv war in hervorragender Weise mappiert, katalogisiert und numeriert. Leider ist der Bestand in den Apriltagen 1945 durch Brand fast vollständig vernichtet worden.

In besonderer Weise scheint Habel seinem großen Vorbild Anton Bruckner zugetan gewesen zu sein, was wohl am besten eine zeitgenössische Notiz über das große Bruckner-Fest des Jahres 1939 in St. Florian formulierte: „…Denn es gibt keinen Chor, … der mit dieser Messe (e-Moll), wie überhaupt mit dem gesamten Kirchenwerk des Meisters, in so inniger Verbindung steht, wie gerade der Wiener Domchor und sein Leiter, Domkapellmeister Ferdinand Habel.”

Dazu kamen noch die von Habel eingeführten Domkonzerte, die nicht nur künstlerische und kulturelle Höhepunkte brachten, sondern nach wie vor eine Wohlfahrtseinrichtung für die Einbringung von Mitteln zur Erhaltung eines der ersten österreichischen Kulturinstitute, der Domkapelle zu St. Stephan, bedeuten.

Weit über den Rahmen des Dom- musikvereines hinausgehend, hat Habel an den von Hofrat Dr. Alfred Schnerich herausgegebenen „Denkmälern liturgischer Tonkunst” mitgearbeitet und selbst ein gutes Dutzend der großen kirchlichen Werke von Haydn, Schubert, Mozart und Bruckner redigiert und herausgegeben. Diese Denkmäler hatten den Zweck, wertvolle Tonwerke, namentlich unsere Klassiker, die fast nur handschriftlich verbreitet oder textlich unzugänglich waren, für den Gottesdienst bequem und praktisch, vor allem textlich verbessert und ergänzt, zugänglich zu machen.

Ferdinand Habel hat auch als Komponist zahlreiche Werke, besonders Kirchenmusik, viele Lieder zu verschiedenen Gelegenheiten, Einlagen zu Messen und Gelegenheitskompositionen zu mancher religiöser Feier hinterlassen, davon aber in seiner bescheidenen, vornehmen Art nie viel Aufhebens gemacht. Vieles ist im Jahre 1945, beim Brand des Domes und des Archives im Churhaus, aber auch beim Herausgeber (Böhmverlag, Leipzig und Wien) zugrunde gegangen. Vorgefunden wurden zwei Messen, zwei Requien (eines davon, für Chor und sechs Bläser, wurde anläßlich seines Todes im Jahre 1953 im Dom uraufgeführt), eine Lauretanl- sche Litanei sowie zahlreiche weltliche Lieder, Märsche und Chöre.

Das Bild und die Bedeutung Ferdinand Habels, damals und in unserer Zeit, wäre unvollständig, wollte man nicht auch auf seine Verdienste um den liturgischen Volksgesang verweisen. Habel hat etliche Jahrzehnte vor der Liturgiereform alte, unbekannte deutsche Kirchenlieder und Texte redigiert, herausgegeben und verbreitet.

Seine Arbeit war dem Lobe Gottes und der musikalischen Erziehung der Jugend gewidmet. Als Reformer des kirchlichen Volksgesanges und als unentwegter Verfechter des cäci- lianischen Stils machte er sich einen Namen, der in der Geschichte der Kirchenmusik einen hervorragenden Platz einnimmt.

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