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Um die „Philosophie des Konkreten“

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„Die Architektur steht in sehr engem Zusammenhang mit der Gesellschaft; sie kann die Emanzipation des Menschen zur Mündigkeit fördern, aber kaum initiieren“, führte der Wiener Architekt Ottokar Uhl, seit dem Frühjahr 1973 Professor an der Universität Karlsruhe, in seinem Referat „Architektur als Ideologieprodukt?“ am Ende der ersten diesjährigen Sommertagung des KAVÖ im Stift Zwettl aus.

Eine Woche lang, vom 22. bis zum 28. Juli 1973, beschäftigten sich rund 40 Akademiker der verschiedensten Sparten mit dem Thema „Was ist schon Kunst?“

Zu Beginn setzte sich Msgr. Professor Otto Mauer mit dem Begriff der Realität und der Kunst auseinander und deutete dabei die Kunst als die Philosophie des Konkreten, die durch die Möglichkeit der Wiedergabe gerade des Einmaligen, Un-wiederholbaren gekennzeichnet ist. Dagegen stellte Prof. Dr. Otto Graf, Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Wt«n, das utopische Element in der Kunst, das die zukünftige Entwicklung vorausahnt, wie auch die enge Verbindung zwischen Kunst und Kultur — die Kunst ist die Industrie der vorindustriellen Kultur, die Industrie ist die Kunst der industriellen Kultur — an Hand mehrerer Beispiele in den Vordergrund. Der marxistische Autor Doktor Michael Scharang, der unter anderem zu jenen steirischen Autoren gehörte, die ein zweites PEN-Zen-trum in Österreich errichten wollten, berichtete unter dem Titel „Kunst und Engagement“ über seine Arbeit bei der Herstellung von Rundfunksendungen für Arbeiter unter starker Beteiligung der Zielgruppe.

In einem zweiten Referat beschäftigte sich Msgr. Prof. Otto Mauer mit dem Verhältnis zwischen Kirche und Kunst und mit den Zielen kirchlicher Kunstpolitik. Die Kirche, forderte Mauer, müsse heute im Geist der Katholizität und Offenheit jeden Künstler ernst nehmen, der sich ernsthaft rnit menschlichen Problemen auseinandersetze, ob er nun Christ sei oder nicht. Einen gewissen Prozeß der Individualisierung verstand auch der Maler und Bildhauer Oswald Oberhuber zusammen mit der Loslösung des Künstlers von der Gesellschaft und einer universellen Erweiterung des Kunstbegriffes als Ergebnis der langen und noch nicht abgeschlossenen historischen Entwicklung zur Demokratisierung der Kunst.

Die drei letzten Referate waren den leichter abgrenzbaren Bereichen der Musik, der Literatur und — bereits genannt — der Architektur gewidmet. Dabei wurden besondere Fragestellungen heraugegriffen: Anestis Logothetis zeigte den Zusammenhang zwischen Musik und Notation, der schriftlichen Fixierung dieser Musik, in einer Reihe von

Beispielen aus der klassischen und der modernen, auch elektronischen Produktion; während Vniv.-Prof. Dr. Walter Weiss, Salzburg, sich in einer ebenso präzisen wie exemplarisch belegten Darstellung mit den Traditionen der komplexen Frage „Gibt es eine spezifisch österreichische Literatur?“ auseinandersetzte.

Das Programm wurde durch einen literarischen Abend abgerundet, an dem die Autorin Jutta Schütting, deren erster Gedichtband vor kurzem bei Otto Müller in Salzburg erschienen ist, Lyrik und Kurzprosa vortrug. Daneben ermöglichte auch die Besichtigung der Ausstellungen in Schloß Greillenstein und Schloß Go-belsburg und der Besuch des Klosters AUenburg den Teilnehmern der Woche eine unmittelbare persönliche Auseinandersetzung mit alter und neuer Kunst.

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