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Unverwüstliche Altstars

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Die Sünden der Filmbranche — und gemeint sind hier keineswegs allein die Produzenten! — finden nunmehr ihren Niederschlag: Immer deutlicher stellt sich heraus, daß bei der Publikumsmasse keineswegs der Filmstoff allein den Ausschlag für einen guten Besuch gibt, sondern es ist noch immer der Lockruf der Stars, des Darstellernamens, der den größten Teil der Zuschauer ins Kino zieht. Und die beabsichtigte, bewußte Vernachlässigung des „Aufbauens“ eines Schauspielers zum Star — wie es von einer sogenannten fortschrittlichen (und auch sogenannten jungen) Filmbewegung in den sechziger Jahren als Schlagwort gefordert wurde — trägt jetzt Früchte beziehungsweise den Kassen der Filmindustrie Ebbe ein: Es gibt keine (oder kaum) junge Darsteller, deren Popularität so groß ist, daß der Erfolg schon von vornherein gesichert wäre. Und was ist der Schluß daraus? Die Filmproduktion greift auf bewährte Kassenmagneten von früher zurück, Namen von gestern, die noch immer Zugkraft besitzen, und setzt diese in ihren bewährten Klischeerollen ein, ohne ihnen (und sich) damit jedoch einen guten Dienst zu tun. Denn inzwischen sind Jahre vergangen, viele Jahre, die nicht spurlos vorübergezogen sind ...

Das führt dann zu solch peinlichen, ja grotesken Wiederbegegnungen wie etwa bei „Die Geier warten schon“, einem Western, in dem zwei Helden von früher, Rock Hudson und Dean Martin, in ihr Erfolgsschema von einst gepreßt, kaum noch imstande sind, ein Pferd zu besteigen, und man ihnen deutlich anmerkt, daß die schon etwas müden, älteren Herren weitaus lieber vor dem Kamin oder in einer gemütlichen Bar sitzen würden als sich in einem Saloon herumzuschlagen oder mit Schußwaffen grimmige Sheriffs und Banditen zu mimen... Und wenn nicht Anthony Quinn immerhin soviel schauspielerische Routine aufweisen würde, wäre auch „Dos Lied von Mord und Totschlag“ (mit Franco Nero als Partner) nur ein sehr unnötiger und uninteressanter, hundertmal gleich erlebter Aktionsfilm nach ältester Italo-Western-Manier...

Und da die großen alten Namen noch immer ziehen (und besser sind als die jungen), muß auch Heim' Rühmann immer wieder in das bewährte Erfolgsklischee seiner Rollen von früher schlüpfen, auch wenn ahm diese altersmäßig nicht mehr passen; sicher, sein neuester Film, „O Jonathan, o Jonathan!“, ist sorgfältig nach ältesten»! bewährten'-Rezepten gearbeitet, spielt in beliebtem Traumweltmilieu (mit Mercedes 600 und Luxusvilla), und alle Pointen könnten fast von Curt Goetz stammen — doch will sich die unbeschwerte Fröhlichkeit von einst nicht einstellen: Den großen Charakterdarsteller Rühmann, heute laut Lexikonangaben 71 Jahre alt, in der Rolle eines vom Totenbett auferstandenen Millionärs Samba tanzen und die gleichen Spaße machen zu sehen wie vor dreißig Jahren, berührt schmerzlich... Emil Jan-nings hat mit 59 Jahren einen hinreißend-bezaubernden Großpapa in „Altes Herz wird wieder jung“ mit aller Würde, Charme und Güte des Herzens ohne jede Entgleisung und Peinlichkeit dargestellt. Warum ist diese Selbstbescheidung so einmalig?

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