6796130-1971_11_15.jpg
Digital In Arbeit

Vergnügen am Erzählen

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn man den Geschichtenband „Taschen voller Geld" liest, wird man den Verdacht nicht los, der Autor dieser 18 Erzählungen, Peter von Tramin, woUe seine Leser unterhalten, ja, er habe allen Ernstes die Absicht, sie zu erheitern. Wenn sich das herumspricht, wird er bald nicht mehr im Gespräch sein. Das war er 1963 sofort, noch ehe sein erster Roman erschienen war, als bekannt wurde, daß dieser Peter von Tramin ein „Schüler" Heimito von Doderers sein soll. Dann kamen also der ge-sellschaftskritisdie Roman „Die Herren Söhne" (1963) sowie der utopische „Die Tür im Fenster" (1967), und zumindest der erste ließ erkennen, daß Tramin tatsächlich von Doderer gelernt hatte — was man eben auch in der Literatur einen Schüler zu nennen pflegt. Trotzdem war schon dsimals ein gravierender, sozusagen emotioneller Unterschied zu erkennen: Heimito von Doderer schreibt selbst dann erbittert ernst, wenn er gut aufgelegt scheint; Peter von Tramin schreibt selbst dann gut aufgelegt, wenn er erbittert ernst scheint. Auch die schicksalhafte Wendung ins Verhängnis wird von ihm irgendwie amüsant gezeichnet, aus einer Distanz, von der aus alles, was geschieht, eben so passiert; und die Schilderung eines maschinell bewirkten Sturzes aus der Gegenwart in die Vergangenheit war dann, samt Formeln und Fachausdrücken, sowieso ein mit impertinenter Selbstverständlichkeit vorgetragener Aufsitzer.

Bei dem neuen Band stellt sich aber endgültig heraus, daß die Gesellschaftskritik wie das Utopische höchstens sekundäre Bedeutung hatten. Dieser Autor nimmt einfach jede Gelegenheit wahr, uns etwas zu erzählen, das ist alles. Wenn sich in der Wirklichkeit für den Draufloserzählenden kein Ausweg mehr findet, öffnet er ohne mit einer Wimper zu zuciken ein geheimes Hintertürl und kommt unverfroren im Irrealen ans Ziel; gerät in einem anderen Fall das Unwirkliche allmählich zu realisi-stisdi, macht nichts, man kann auch, wenn man es kann, von einem Flug ins Unglaubliche glaubhaft wieder in den gewohnten Alltag heimkehren und so simpel landen, als ob man nie den Anschein erwecikt hätte, die vierte Dimension sei das mindeste, was diesmal angepeilt werden sollte. Freilich, wenn man ihm zuhört (das konnte man unlängst im Hörfunk) und er vom Erzählen zu erzälilen beginnt, dann stellt sich heraus, daß es eine Viechsarbeit sein muß, solche mit Spaßettelleichtgkeit hingeschriebenen Kurzgeschichten — zu schreiben. Der befrackte Virtuose, der beim TeufelstriUer überlegen ins Publikum lächelt, hatte ja auch mit sich allein vorer eine Höllenarbeit zu bestehen. (Schon der Gedanke an die großen Zeitintervalle zwischen den einzelnen Werken muß nachdenklich machen.)

„Taschen voUer Geld", die Titel-gesdiidite: Es ist natürlich („natürlich" ist leicht gesagt, aber der Verfasser mußte natürlich erst drauf-kommen), also es ist natürlich ein Mathematikstudent, der nicht damit gerechnet hat — durch Verwechslung seines Mantels in einem Lokal — plötzlich die Taschen voller Geld zu haben. Nun, ein gewöhnlicher Gauner würde aus dem Unberechenbaren geistesgegenwärtig seinen Vorteil ziehen, ein gelernter Mathematiker verrechnet sich in so einem Fall rettungslos. Er löst irrationale Gleichungen, vor einer irrationalen Angabe in der Manteltasche steht er ratlos und geht schließlich wieder leer aus. Dieisar Geschichteniverfasser erzählt durchaus salopp; so wie ein Solotänzer auf der Bühne einen saloppen Schritt demonstriert.

TASCHEN VOLLER GELD. Von Peter T r am in. Nymphenburger Verlagsanstalt, München 1970. 207 Seiten. DM 16.80.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung