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Veto gegen Bälle
Die neuerliche Verschiebung der Vorvertragsunterzeich- nung zwischen Bund und privaten Bewerbern um die Nutzung von Schloß Schönbrunn sei mehr als eine Nachdenkpause von (Noch-) Minister Wolfgang Schüssel. Auch mit dem Wahlergebnis hätten die Verzögerungen nichts zu tun. Sie entsprächen vielmehr einem Um- denken des Ressortleiters, basie- rend sowohl auf dem Einspruch seiner nicht mit ihm konform ge- henden Beamten und dem Aufla- genkatalog des Bundesdenkmalam- tes als auch auf der nicht gerade beeindruckenden Investitionspo- tenz der acht privatwirtschaftlichen Nutzer in spe.
Das erzählt man sich hinter vor- gehaltener Hand in sämtlichen Etagen des Wirtschaftsministe- riums und hofft, daß die Causa Schönbrunn mehr denn je als eine Verpflichtung der Republik gegen- über einem Symbol seiner Ge- schichte wahrgenommen und des- halb auch weiterhin in Eigenver- antwortung betrieben werden wird. Daß dazu die Verwendung der Einnahmen aus den Besichtigun- gen zur Schloßerhaltung - und nicht als Beitrag für den allgemeinen Staatssäckel - gefordert werden müßte, versteht sich von selbst.
Das Veto gegen ein projektiertes verglastes Kaffeehaus in der Glo- riette, gegen Bälle, Bankette oder Konzerte in der Großen Galerie mit ihren Spiegeln und dem blauen Freskenhimmel von Guglielmi hat ja das Bundesdenkmalamt von Anfang an ebenso deutlich einge- legt wie gegen die Vermarktung der Orangerie als Luxushotel.
Soll die kaiserliche Schloßanlage als Gesamtkunstwerk erhalten blei- ben, darf laut Auflagenkatalog der staatlichen Denkmalpfleger nicht einmal der gewinnbringende Besu- cherstrom vergrößert werden - im Gegenteil: Er ist zu reduzieren.
Denn die Anwesenheit von rund 1.000 Personen, die als Folge des explodierenden Fremdenverkehrs tagein, tagaus, sommers von 8.30 bis 18.30 Uhr, winters von 9 bis 17 Uhr die 55 Schauräume besichti- gen, hat Temperatur und Luftfeuch- tigkeit so sehr verändert, daß sich die weißen, blauen oder rostbrau- nen Wandvertäfelungen werfen. Der Lack, auf denen Vögel, Blumen und fremdartige Landschaften prangen, ist gesprungen. Der schön- ste Raum des Schlosses, das Millio- nenzimmer - der Legende nach hat Maria Theresia für seine Ausstat- tung eine Million Gulden ausgege- ben - ist schwer in Mitleidenschaft gezogen. Marmorstiegen und die kunstvoll eingelegten Parkettbö- den sind abgetreten oder beschä- digt.
Wohl hat man beispielsweise in zehnjähriger Arbeitszeit die in den Rosenholz-Täfelungen eingelasse- nen Mogul-Minia- turen im Millio- nenzimmer eben restauriert. Doch wo früher die Re- staurierung rund 30 Jahre hielt, tre- ten nun nach viel kürzerer Zeit schon wieder Schäden auf.
Das Bundes- denkmalamt hat den gesamten Schloßbereich un- tersucht, kontinu- ierliche Klima- messungen in den Schauräumen und ein»Bestandsauf- nahme aller Ob- jekte durchge- führt, und nennt in seinem nun vorge- legten Maßnah- menkatalog alle wichtigen bezie- hungsweise wün- schenswerten Auflagen zur Er- haltung des Schlosses, seiner Ausstattung und seines Parks. Au- ßer dem Wiederaufbau der bom- benzerstörten Teile wurden seit 1945 lediglich die Fassade, die At- tikafiguren über dem Mittelrisalit und den Seitenflügeln sowie das Dach und mehr oder minder große Einzelkonservierungen gemacht. Effizientere Beleuchtungskörper, Klimaanlagen, Sicherheitseinrich- tungen samt Überwachungskame- ras und Feuermeldern sowie Fen- sterabdichtungen und das Licht ab- schirmende Jalousien hat man nicht eingebaut.
„Wenn auch eine Vollklimatisie- rung undurchführbar scheint, ist doch ein Mindestmaß machbar", gibt man sich im Wiener Landes- konservatoriat unter der neuen Leitung von Eva-Maria Höhle zu- versichtlich.
Für denkmalpflegerisch ange- zeigt hält man darüber hinaus die originale Wiederherstellung des Schreib- und des Schlaf-(Sterbe-) zimmers von Kaiser Franz Joseph, in denen aus unerfindlichen Grün- den einige Möbel vertauscht, die Stuckdecke heruntergeweißt und die Teppiche ausgewechselt wor- den sind.
Vor allem aber muß aufgrund der Besorgnis erregenden Untersu- chungsergebnisse der Besucher- strom so umgeleitet werden, daß zumindest keine Staus entstehen und die Klimaschwankungen ge- ringer gehalten werden. Ein seit dem vergangenen Frühjahr exer- zierter Versuch, nicht allen Besu- chern alle Schauräume zu zeigen, brachte noch keine spürbaren Ver- besserungen. Mehr darf man sich von dem von der Schloßhauptmann- schaft geplanten Umbau der Gar- deroben und neuer Besucherein- gänge erwarten. Sobald dieser abgeschlossen ist, soll es parallel zur großen Führung drei kleinere geben. Eine soll nur durch den Ostflügel führen (unter anderem mit dem Geburtszimmer Franz Jo- sephs), eine zweite möchte man durch den Westflügel (mit unter anderem Spiegelsaal, Frühstücks- zimmer Maria Theresias, Salon Kaiserin Elisabeths und Schlafzim- mer Franz Josephs und Elisabeths) führen. Einer dritten Gruppe könn- ten unter anderem die Große und Kleine Galerie, der Zeremoniensaal gezeigt werden. Die beiden kleinen chinesischen Zimmer, aus denen unbekannte Täter wertvolle Vasen gestohlen haben, will man über- haupt sperren.
Für die Denkmalpfleger vorstell- bar erscheint, daß in der Orangerie, in der einst Haydn- und Mozart- Opern gespielt worden sind, wieder musikalische Veranstaltungen stattfinden.
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