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Voneinander lernen

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Es wurde schon oft beobachtet, daß Österreicher für mitteleuropäische Funktionen gefragt sind. So auch geschehen anfangs der siebziger Jahre, als „westeuropäische“ Leiter von Katholischen Bibelwerken (ihrer gibt es weltweit seit dem letzten Konzil rund 60) beisammensaßen: Es ging um Zusammenarbeit auf dem Gebiet biblischer Weiterbildung und Pastoral im Bereich von Mitteleuropa. Sofort war der Beschluß gefaßt: Der Österreicher soll das übernehmen. „Ihr kennt euch doch da drüben aus.“

Das österreichische Katholische Bibel werk war bis zum Zeitpunkt jener denkwürdigen Beauftragung schon längst zu einer bekannten Institution für Gäste aus dem Osten gewesen. Bald hatte sich gezeigt: Almosen waren zuwenig, und organisierter Bibelschmuggel kam nicht in Frage. Da kam die langjährige Erfahrung der Kollegen von der (reformatorisch inspirierten) Bibelgesellschaft zugute: Sie haben schon längst praktiziert, in Osteuropa nur mit legalen Mitteln zu arbeiten. So wie sie respektieren die Katholischen Bibelwerke ebenfalls die gegebenen politischen Realitäten und konnten auf diese Weise schon Bibeldrucke im jeweiligen Land (also möglichst keine Importe!) ermöglichen: in Ungarn, Jugoslawien, Polen und zuletzt auch in der CSSR. Darüber hinaus entstand ein reger Versand bibelwissenschaftlicher Literatur für Priester und in der Ausbildung stehende Theologen. Im Notfall fand man immer großzügige Hilfe beim Weltbund der Bibelgesellschaften.

Völlig falsch und schon gar nicht „mitteleuropäisch“ wäre es, die Beziehungen und Kontakte auf Hilfsaktionen zu reduzieren. Einmal im Jahr kommt die Arbeitsgemeinschaft Mitteleuropäischer Bibelwerke zusammen — nicht als Institution, sondern als lockere Gesprächsrunde, um über ein bestimmtes bibeltheologisches Thema zu sprechen und bi-belpastorale und spirituelle Erfahrungen auszutauschen. Dabei kann so mancher „Westler“ vom „Osten“ lernen.

Ähnlich geht es auch beim „Col-loquium Biblicum“ zu, das vom Wissenschaftlichen Beirat des österreichischen Katholischen Bibelwerkes gemeinsam mit der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät schon seit längerem in zweijährigem Abstand veranstaltet wird und bei dem selbstverständlich auch Gelehrte aus Osteuropa zu Wort kommen.

Es scheint so, daß heute nicht nur jedes Volk sich „seine“ Bibel erarbeitet, sondern daß Bibelübersetzungen und Bibeldrucke weit über das eigene Sprachgebiet hinaus zur internationalen und interkonfessionellen Sache ge-. worden sind. Es ist zu wünschen, daß die neuen Bibelausgaben nicht nur Zeichen der Entspannung sind, sondern auch zur Besinnung auf ihren Inhalt anregen.

Der Autor ist Leiter des Osterreichischen Katholischen Bibelwerkes und zugleich Sekretär der Arbeitsgemeinschaft Mitteleuro-päischer Bibelwerke.

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