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Vor allem aber hat er gelacht

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Er wird die Papstkrone für immer ins Museum verbannen. Er hat die Hungernden in Indien und Afrika und die Kriegsopfer im Libanon zu unserer Sorge gemacht. Statt einer feierlichen Ansprache erzählte er den Massen auf dem Petersplatz, wie es beim Konklave zugegangen war, und sagte „Ich“ statt wir, wie es am ersten Tag nach seiner Wahl schon Papst Johannes getan hatte.

Vor allem aber lächelte er. Das war das Schönste, Befreiendste, Beglük- kendste, was dieser Papst bei seinem ersten Auftreten zeigte, das ansonsten eher schüchtern, zaghaft, jedenfalls nicht energisch geraten war.

Genaugenommen, hat er nicht nur gelächelt, sondern herzlich gelacht. Ein Mensch, der offen lachen kann, ist ein guter Mensch. Lachen gehört zum Menschsein wie das Denken. Tiere denken nicht, Tiere lachen nicht. Daß Päpste denken können, weiß man. Daß Päpste auch lachen können, hat man dann und wann schon bezweifeln müssen.

Ein Papst, der lacht, hat deshalb die schwere Bürde, die auf seinen Schultern lastet, nicht vergessen oder geringgeschätzt. Aber er zeigt, daß er weiß, wie sehr ein gütiges Lächeln selbst Tränen trocknen, wie sehr ein herzhaftes Lachen aufrichten, ermuntern kann. Liebende lachen. Ein Papst muß viel lieben.

Der lachende Papst hat rasch Zustimmung gefunden. Obwohl er, um es jetzjt bildhaft zu sagen, nichts zu lachen haben wird. Denn es ist wohl richtig, in dieser Stunde der allgemeinen Euphorie nicht zu vergessen, daß mit dem Ablegen der Tiara der Berg von Problemen, dem sich die Kirche gegenübersieht, nicht abgetragen sein wird. Der neue Papst muß mehr tun als Gesten setzen - sonst steht er nach zwei Jahren wie heute Jimmy Carter da. Der ist am Anfang auch ein großer Symbolsetzer gewesen.

Aber der Hunger und das Elend in der Welt, der Unfriede unter den Völkern (und unter den Christen, selbst innerhalb der eigenen Kirche) werden nicht nur durch große Gesten behebbar sein.

Den Bürokraten in der vatikanischen Zentralverwaltung wäre es sicher am liebsten, wenn es der Papst, statt zu reformieren, bei zeichenhaften Handlungen bewenden ließe. Auch die Priesterseminare werden solche noch nicht füllen. Erzbischof Lefėbvre bläst heute schon erneut zum Sturm. Bald wird der neue Papst etwas gesagt oder getan haben, an dem auch progressive Theologen wieder etwas auszusetzen haben. Der Alltag kehrt schneller zurück, als man im Jubel der ersten Stunde glaubt. Es wäre gut, rechtzeitig darauf gefaßt zu sein.

Als der „Osservatore Romano“ am Sonntag einen Artikel des damaligen Patriarchen von Venedig aus dem Jahre 1974 abdruckte, ließ man einen Satz mit der Verurteilung des umstrittenen Theologen Hans Küng weg. Ein Signal des neuen Papstes, daß er künftig weniger verdammen und mehr ausgleichen will? Es wäre schön. Aber gewiß haben auch die „Traditionalisten“ unter den Gläubigen Anspruch auf solche Haltung. Auch ihnen hat manch unnötiger Übereifer der Per- fektionisten unter den Reformern unrecht getan.

Im Notwendigen Einheit, sonst überall Freiheit, und in allem die Liebe - wie schwer es doch ist, die inneren Grenzen dieses Augustinus-Mottos zeitgemäß zu ziehen! Vielleicht wird sich ein Papst, der lachen kann, auch damit ein wenig leichtertun.

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