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Die Lehrzeit eines amerikanischen Zeitungsdruckers dauert vier Jahre. Um bei Druckerstreiks sofort tüchtige Streikbrecher bei der Hand zu haben, lassen amerikanische Zeitungsherausgeber neuerdings ihre Manager in Schnellsiedekursen zu Druckern ausbilden. Dauer: drei Wochen. Die Umschulung eines Verlagskaufmannes zum Journalisten ist dem Vernehmen nach schon in einer Woche möglich.

Im obersten Stockwerk eines Hochhauses standen zwei Manager, blickten weithin über die Dächer und sannen nach.

„Die Sache mit den Druckern geht mir nicht aus dem Kopf“, sagte der eine, „auch bei uns könnten ja die Leute streiken, könnten wir nicht auch...?“

„Ein guter Gedanke“, sagte der andere, „die ewig gleichen Handgriffe am Fließband könnte zum Beispiel sicher auch unser Büropersonal ausführen. Wir sollten Einführungskurse in die Fließbandarbeit veranstalten!“

„Wir müssen weiter denken“, meinte der andere, „vielleicht könnten wir hier überhaupt auf breiter Basis Vorsorgen? Zum Beispiel: Unterweisung von Managern im Installateurshandwerk.“

„Ob das so leicht geht?“

Sie riefen also ihren Hausinstallateur und fragten ihn: „Was ist das Wesentliche an Ihrem Geschäft?“

„Man muß“, sagte der Mann, „mit ein paar Werkzeugen umgehen können, wissen, welche Schrauben man wann wie wozu aufschrauben muß, was aber nicht sehr schwer ist, und ein paar Kniffe kennen.“

„Wie lange haben Sie gelernt?“ wollte der eine Manager wissen.

„Drei Jahre“, sagte der Mann.

„Und wie lange“, fragte der andere Manager, „hätten Sie gebraucht, alles Wichtige zu lernen, wenn Sie sich alle Umwege, alles Herumstehen, alle Hilfsdienste und alles Herumreden von Meistern, die sich nicht ausdrücken können, hätten ersparen können?“

„Man soll sich keine Wunder erwarten“, sagte der Installateur, „gut Ding braucht Weile. Wenn mir jemand sofort alles ganz genau und rationell erklärt und gezeigt hätte,wäre ich auch nicht unter vier bis sechs Wochen weggekommen!“

„Eine glänzende Idee“, sagte, als der Mann weg war, der eine Manager zum anderen, „wir können tatsächlich einen Schritt weiter gehen: Schulungskurse für die Manager in den in unserem Konzern vorkommenden Bereichen, im Bedienen von Förderanlagen, von Haustelephonen, Schnellsiedekurse, die alles Wesentliche aus dem Maurerhandwerk sowie das Fliesenlegen und das Verkleben von Teppichböden vermitteln ...“

„Moment“, sagte der andere Manager, „wir müssen immer auch an die gehobenen Bereiche denken! Auch im Management sind Streiks möglich, denen wir zuvorkommen müssen! Aber wer könnte uns ersetzen? Wie wäre es mit einer Einführung der Fließbandarbeiter, Installateure, Sekretärinnen und so weiter in unsere Tätigkeit?“

„Halt, sind Sie wahnsinnig?“ rief da der andere Manager, „das geht zu weit!“

„Ich halte solche Kurse für ohne weiteres möglich, erinnern Sie sich doch — was ist denn das Wesentliche an unserem Geschäft? Man muß im Prinzip logisch denken können, ein paar Dinge gelesen haben, mit Menschen umgehen können, wissen, was man wo nachzuschauen hat, Gespür fürs Geschäft mitbringen und natürlich auch Erfahrung sammeln. Aber die hat ein cleverer Bursche schnell.“

„Da wäre“, sagte der andere Manager, „natürlich noch etwas. Die Tätigkeit auf unserer Ebene besteht ja vor allem darin, zu lernen, wie man sich richtig verhält, wie man sich richtig nach unten abgrenzt und nach oben profiliert, wie man vermeidet, sich Blößen zu geben, und die Blößen der anderen ausnützt...“

„Gemach, gemach“, sagte der zweite Manager, „solche Selbstentblößungen sind sehr gefährlich! Lassen Sie mich nachdenken.“

„Sie haben mich unterbrochen“, sagte der erste Manager“, ich wollte sagen: das allerwichtigste aber an unserer Tätigkeit ist die Fähigkeit, zu entscheiden. Auf unserer Ebene wird vor allem entschieden.“

„Ein berühmter Management-Theoretiker sagt: bei einem guten Manager sind zwei von drei Entscheidungen richtig, bei einem schlechten zwei von drei Entscheidungen falsch!“

„Sie meinen, wir sollten einfach empfehlen, uns durch einen Totowürfel zu ersetzen?“

„Nein. Ich meine, auf unserer Ebene gelten, ebenso wie auf der etwa eines Ministers, doch höhere Anforderungen an das Verantwortungsbewußtsein des Mannes, der eine solche Stellung einnimmt. Ein Mann in unserer Position, Herr Kollege, hat nicht zu streiken. Ganz im Vertrauen nämlich — was machen wir, wenn sich so ein Ersatzmann wirklich bewährt?“

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