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Wieder einmal wurde aus Not eine Tugend

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Bis zum 5. November lautete die Parole „Vollbeschäftigung durch Atomstrom“. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß der Umkehrschluß „Ohne Atomstrom Arbeitslosigkeit“ weder zulässig noch richtig ist: Eine unglaubliche Anzahl potenter Wirtschaftskräfte denkt nun darüber nach, mit welchen Geräten Energie aus der Sonne oder im Rahmen der „sanften Technologien“ gewonnen werden kann.

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Bis zum 5. November lautete die Parole „Vollbeschäftigung durch Atomstrom“. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß der Umkehrschluß „Ohne Atomstrom Arbeitslosigkeit“ weder zulässig noch richtig ist: Eine unglaubliche Anzahl potenter Wirtschaftskräfte denkt nun darüber nach, mit welchen Geräten Energie aus der Sonne oder im Rahmen der „sanften Technologien“ gewonnen werden kann.

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Bereits am 14. November 1978 -Zwentendorf war noch kaum zu Grabe getragen - überraschte die Werbe- und Ausstellungsgesellschaft „Präsenta“ die Redaktionen: Von 22. bis 25. März 1979 wird im Salzburger Ausstellungszentrum die „ISOTHERM 79“, die erste österreichische Fachmesse für energiesparendes, wirtschaftliches, sicheres und gesundes Bauen über die Bühne gehen.

Da der größte Teil des heimischen Energieverbrauchs auf die Haushalte entfällt, erscheint es einleuchtend, gerade in diesem Bereich auf Einsparungsmöglichkeiten hinzuweisen. Durch unrationellen Energieeinsatz, schlechten Wirkungsgrad von Heizungen und Verschwendung beträgt der Energieverlust in den Haushalten nach Expertenschätzungen (bezogen auf den tatsächlichen Wirkungsgrad)

bis zu 70 Prozent. Deshalb möchte die „ISOTHERM 79“ von der Wärmedämmung und Sanierung konventioneller Heizungen angefangen über Wärmerückgewinnung und Wärmepumpen bis zur Solartechnik einen Uberblick über den neuesten Stand der Entwicklungen zu geben versuchen.

Im Mittelpunkt aller gedanklichen Alternativen zu Zwentendorf stand gewissermaßen die Sonnenenergie. Das Vokabel ist längst in aller Munde. Daß' aber auch in Österreich bereits Dutzende Firmen teilweise in Serienproduktion Sonnenkollektoren herstellen und damit wertvolle Investitionen tatigen sowie ungezählte Arbeitsplätze schaffen, ist weithin unbekannt.

Anzuerkennen ist übrigens, daß das Interesse der österreichischen Wirtschaft an der Energieforschung bereits wesentlich älteren Datums als die Volksabstimmung ist: Schon 1974 wurde die Energieforschung zum Forsehungs- und Förderungsschwerpunkt des Forschungsförde-rungsfonds erklärt, dem Wissenschaftsministerium standen im Budget 1975 erstmals zehn Millionen Schilling für Energieforschung zur Verfügung.

So wurden Forsehungs- und Entwicklungsarbeiten zur Nutzung der

Sonnenenergie initiiert, die dazu führten, daß eine Reihe österreichischer Firmen in die serienmäßige Erzeugung von Sonnenkollektoren einstieg. Unter den ersten Firmen befanden sich die „Vereinigten Metallwerke Ranshofen-Berndorf AG“, „Vogel & Noot“, die Grazer Firma „Thalhammer“ sowie die bekannte Tiroler Firma „Swarovski“. Letztere stellt auch sogenannte „konzentrierende Kollektoren“ her, die als solare Kleinkraftwerke für Entwicklungsländer (in Mitteleuropa ist die Sonneneinstrahlung zu gering) interessant werden können.

Über die derzeit vermutlich größte Serienfertigung von Sonnenkollektoren und Komponenten von solaren Systemen berichtet der Informationsdienst der „österreichischen Gesellschaft für Sonnenenergie und

Weltraumfragen“ in der August-, Nummer dieses Jahres: Am 11. Mai 1978 nahm die Firma „Stiebel Eltron“ in Spittal an der Drau die Produktion von Sonnenkollektoren auf. Die Fertigungsstätte wurde nach Angaben der Herstellerfirma für eine Jahreskapazität von 50.000 Kollektoren mit je zwei Quadratmetern Kollektorfläche geplant. Der Schwerpunkt der zur Zeit angebotenen Solarsysteme liegt auf dem Gebiet der Warmwasserbereitung. Aber auch Schwimmbadheizungen und Raumheizungen sind im Angebot.

In der Marktnische „Sonnenenergie“ hat sich auch die oberösterreichische Firma „Maschinen und Energieanlagen“ (MEA) eingenistet. Die Firma wurde 1976 in Gallneukir-chen als Planungs-, Produktionsund Vertriebsfirma für solartechnische Komponenten und Anlagen gegründet. Von Jänner 1977 bis April 1978 hat die Firma MEA rund 60 Brauchwasser- und Schwimmbadbeheizungsanlagen mit einer Kollektorfläche von 800 Quadratmetern errichtet.

Bis zu einem gewissen Grad mit Recht könnte nun eingewandt werden, die Anführung einzelner Firmen erfolge willkürlich und ihre Produktion falle nicht besonders in die Waagschale. Aber: Auch eine nur ex-

emplarische Aufzählung kann vor Augen führen, daß die heimische Wirtschaft in die Sonnenenergie nicht nur schöne Worte, sondern auch viele Millionen Schilling investiert hat.

Für alle, die mehr über die Firmenangebote wissen wollen, hat das Wirtschaftsförderungsinstitut der Bundeskammer einen sogenannten • „Solarkatalog“ als Dienstleistungs-, Produkte- und Lieferantenverzeichnis zusammengestellt, der nicht weniger als 143 (!) österreichische Firmen anführt.

Große Erwartungen werden auch in verschiedene Energiegewinnungsmöglichkeiten im Bereich der Landwirtschaft gesetzt. Als ein Markstein auf diesem keinesfalls einfachen Weg wird der „Bioenergie-Konverter“ bezeichnet: Aus den bisher nicht verwertbaren Rückständen bei der Weintraubenverarbeitung werden nicht nur beträchtliche Mengen an Wärmeenergie gewonnen, sondern auch wertvolle Düngemittel produziert. Die erste Anlage dieser Art steht seit einigen Wochen in Ho-ritschon (Burgenland) in Betrieb.

Bei diesem Verfahren können beachtliche Wärmemengen aus den Traubenkernen freigemacht werden. Diese Wärmemenge kann für das Beheizen von sogenannten Folien-Tunnels, in denen beispielsweise Salat gezogen wird, verwendet werden.

Die in der Landwirtschaft diskutierten Energiegewinnungsmöglichkeiten reichen aber viel weiter: Die Rede ist auch von Abfallwärme aus der Stall-Lüftung, von Stroh, Holz und Windenergie. Auch die Gewin-nungs- und Einsatzmöglichkeit von Wasserstoff wird untersucht. In Österreich befaßt sich die Landwirtschaft auch seit geraumer Zeit mit Versuchen, die auf die Verwendung von pflanzlichen ölen, etwa Rapsöl, zum Betrieb von Traktormotoren hinauslaufen.

All die aufgezeigten Beispiele könnten einen nicht mehr utopischen Weg weisen in eine energiepolitische Zukunft, die vom Ausland vielleicht doch ein bißchen weniger abhängig ist und die auf einem bisher wenig beachteten Gebiet beträchtliche Arbeitsplätze schaffen bzw. sichern könnte.

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