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Wo die Welt in Ordnung ist

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Die Vorarlberger seien weltoffe- ♦ ne, europäisch orientierte, aufrechte Österreicher - so beschrieb Lan- deshauptmann Martin Purtscher im Jänner seine Bürger einer Gruppe von mehr als hundert ausländischen Diplomaten, die zu einem Schiaus- flug nach Schoppernau gekommen waren. Und dann kam der Zusatz: „Mit der Schweiz im Hinterkopf". Diese Selbstdarstellung wurde von den Botschaftern mit großem Schmunzeln aufgenommen.

Die Diplomaten hatten ein um- fangreiches, perfektionistisch or- ganisiertes Programm, in dessen Verlauf ihnen mit geradezu aleman- nischer Gründlichkeit ein Bild Vorarlbergs von Kultur über Win- tersport bis zur modernen Wirt- schaft präsentiert wurde. Die schö- ne Landschaft, unterstrichen durch ein feenhaftes Winterbild mit Rauh- reif und Schnee sowie strahlendem Sonnenschein, eine reiche Kultur- geschichte des Landes und dessen Modernität dürften dabei die stärk- sten Eindrücke hinterlassen haben. Dazu kommt die Weltoffenheit der Vorarlberger, die etwa der Aposto- lische Nuntius Donato Squicciari- ni in seinen Reden hervorhob.

Der Verfasser, selbst ein Ost- österreicher Wiener Prägung, fand, daß das Ländle um eine Nuance wirtschaftlich reicher als der Ost- teil Österreichs ist, was sich schon in der Schweizer Ordentlichkeit in den Hotels ausdrückte. Alles ein bißchen ordentlicher, sauberer, teurer. Stolz auf das Errungene und ein gewisser Materialismus schwin- gen da durchaus mit.

Aber zurück zu den Diplomaten: Der holländische Botschafter, Lodewijk van Gorkom, sieht Vor- arlberg als modernes Industrieland, das offensichtlich EG-Reife besitzt, wobei er hinzusetzt: „Ohne Vorarl- berg wäre ein integriertes Europa nicht vorstellbar." Van Gorkom und seine Familie besuchen seit 1986 jedes Jahr das Montafontal. Die Königin der Niederlande sowie zahlreiche Holländer kehren im- mer wieder als Touristen dorthin zurück. Für den Botschafter ist Vorarlberg ein gelungenes Beispiel für das Modell der sozialen Wirt- schaft.

Die Diplomaten bekamen aber auch einen Eindruck vom kulturel- len Gewicht dieses Bundeslandes. So wurde ihnen die Malerin Ange- lika Kaufmann in Schwarzenberg vorgestellt, deren Werke man in der Pfarrkirche bewundern konnte. Angelika Kaufmann unterhielt bekanntlich eine Art Salon in Rom, sodaß man an diesem Beispiel be- haupten kann, daß Vorarlberg schon in früheren Zeiten rege kulturelle Kontakte zum Süden hatte. Das Land befindet sich in einer bevor- zugten geographischen Lage mit vielfältigen Verbindungslinien nach Norden Richtung Deutschland, nach Süden Richtung Italien und nach Westen in die Schweiz, wäh- rend dem Ostösterreicher die Ver- bindung in seine Gegend nicht ge- rade überintensiv vorkommt.

Für den Vertreter der PLO in Österreich, Botschafter Daoud Barakat, war dies ebenfalls nicht der erste Besuch in Vorarlberg. Er ist immer wieder von Freunden eingeladen und hat dort auch Vor- träge gehalten. Deshalb war seine Freude besonders groß, als es hieß, daß der Schiausflug der Diploma- ten dieses Jahr vom Außenministe- rium eben in dieses wunderschöne Land geführt würde.

Barakat, der übrigens hervorra- gend deutsch spricht, lobte die exzellente Gastronomie und die Freundlichkeit der Menschen. Die- se Tatsache hängt offenbar nicht nur mit dem Umstand zusammen, daß Vorarlberg ein sehr fremden- verkehrsbetontes Land ist; dem Ostösterreicher scheint es, daß in den Tälern dieses Bundeslandes die Welt weiterhin in Ordnung ist, also ein Gleichgewicht zwischen menschlicher Umwelt und hoher Industrialisierung besteht.

Den Diplomaten wurde in unter- haltsamer Weise die Textilindustrie nahegebracht: Eine Gruppe von Mannequins bezauberte die Bot- schafter mit moderner Mode eben- so wie mit alten Trach- ten. Die Präsentation in der Michael Felder-Hal- le ging in einen allge- meinen Tanz über, an dem sich die ausländi- schen Gäste zunächst zögernd, dann aber mit wachsender Begeiste- rung beteiligten. Mi- chael Felder mit seinen sozialen Ideen und sei- ner Philosophie zeigte den Diplomaten die gei- stige Basis, auf der das heutige Vorarlberg un- ter anderem aufbaut.

Natürlich gab es für die Gäste auch Blasmu- sik und Marketenderin- nen, die ihnen Obstler verabreichten. Dies ver- hinderte nicht, daß die meisten von ihnen ent- weder über die Hänge flitzten, wie zum Bei- spiel der britische Botschafter und der amerikanische Geschäftsträger, die sich in der Gruppe der fortge- schrittenen Alpinschiläufer tum- melten. Ein Naturtalent ist der tunesische Botschafter, der inner- halb von wenigen Stunden mit Hilfe eines Schilehrers über die steilsten Hänge kurvte.

Die Bregenzer Festspiele und das Spielcasino vermittelten den Di- plomaten den gewünschten Ein- druck, daß man im Ländle durch- aus einen kombinierten Urlaub zwischen Kultur und Erholung verbringen kann. Im übrigen dürf- te das Casino mit unserer Gruppe ein Defizit erzielt haben, weil viele der Teilnehmer durchaus nicht geringe Gewinne beim Spielen er- zielten.

Der Autor ist Presseverantwortlicher im Generalsekretariat des Außenministeriums.

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