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Zeichen der Einladung

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Wie ein Sommerregen nach langen Wochen der Hitze und der Ausdörrung: so wirkte auf mich der Beginn des 2. Vatikanischen Konzils. Uberall im kirchlichen Bereich herrschten damals Freude, Zuversicht, neue Hoffnung vor. Eine Stimmung des Aufbruchs verbreitete sich, der Jahre des Auf-der-Stelle-Tre-tens und der Verkrustung vorausgegangen waren. Menschen, die sich sonst kaum um Christentum und Glauben kümmerten, fragten, was denn plötzlich in diese „alte Kirche” gefahren sei.

Wer damals einen Blick in die Konzilsaula tat, konnte sich der Szenerie dieses historischen Ereignisses nicht entziehen: in dem kolossalen Kirchenschiff von St. Peter, vor der Confessio des heiligen Petrus, angesichts des Evangelienbuches, das täglich zu Beginn jeder Sitzung in feierlicher Weise ausgestellt wurde, bekundete die ganze Weltkirche ihre Entschlossenheit, die Tore und Fenster weit zu öffnen und die Arme auszubreiten, um allen Menschen die Freundlichkeit des Herrn mitzuteilen.

Uber all diesen Eindrücken bleibt das Bild des guten Papstes Johannes XXIII. am deutlichsten haften. In seiner Rede zur Eröffnung des Konzils sagte er, die Kirche habe immer wieder den Irrtümern widersprochen und sie oft mit größter Schärfe verurteilt: „Heute jedoch zieht sie das Heilmittel der Barmherzigkeit der Strenge vor.” Die Kirche wolle sich als hebende, gütige, geduldige und barmherzige Mutter aller zeigen, auch derer, die von ihr getrennt sind.

Das waren Töne, die man in der Kirche lange nicht in dieser Deutlichkeit gehört hatte, Gesten, auf die man kaum mehr recht zu hoffen wagte. So jubelten die Menschen dem Papst zu, als er nach Schluß der Eröffnungszeremonie des Konzils am Fenster seines Arbeitszimmers auftauchte und der unübersehbaren Menge auf dem Petersplatz zurief: „Ihr Guten, guten Tag, Mahlzeit.”

Heute klingt das gar nicht mehr außerordentlich, vielleicht sogar ein bißchen banal. 1962 aber war das eine ergreifende und zutiefst berührende Szene, und manche weinten Tränen der Freude, daß sie den Tag erleben konnten, an dem sich die Kirche nicht als Instrument der Macht, sondern so eindringlich als Zeichen der Einladung des Herrn darstellte.

Das Erleben dieser Tage ist nur voll zu verstehen, wenn man es vor dem Hintergrund des ausgeprägten Optimismus jener Zeit sieht: Wie John F. Kennedy die Amerikaner zu neuen Grenzen aufrief und die Eroberung des Weltalls proklamierte, wie mit Nikita Chruschtschow der Traum eines menschlichen Antlitzes des

Kommunismus in greifbare Nähe zu rücken schien, so blühte unter Christen die Hoffnung auf eine Kirche, die aufbrach, ihre ärgsten Entstellungen und Spaltungen zu überwinden.

Vermutlich wurden dabei die konkreten Schwierigkeiten ebenso unterschätzt wie die Kräfte der Beharrung. Wahrscheinlich ist auch die harte Realität des Kreuzes nicht ernst genug genommen worden.

Und doch: es war ein Geschenk, diese faszinierende Phase der Kirchengeschichte miterleben zu dürfen. Die Erinnerung daran sollte uns bewegen, die Jammerei der Gegenwart zu beenden, und mit Mut einen neuen Anfang für das Werk der beständigen und beharrlichen Erneuerung unserer Kirche zu setzen.

Der Autor ist Chefredakteur der Kleinen Zeitung” in Graz.

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