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Zeitgenosse

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Eigentlich wäre es ein Full-time-Job, heute eine Universität mit 8000 Hörern nicht nur durch die Wogen einer Strukturreform zu steuern, sondern auch noch ihren — wenn auch noch in der Ferne „drohenden“ — Umzug in ein völlig neues Stadtviertel vorzubereiten. Daß die österreichische Tradition diese Aufgaben dem Rektor aufbürdet, der als Professor eigentlich vor allem Forscher und Lehrer ist — denn dies war ja sein Ziel, als er die akademische Laufbahn einschlug —, hat seiine guten Gründe, aber macht die Bewältigung der Aufgaben nicht leichter. Denn wer ist schon angesehen in seinem Fach, anerkannt bei den Studenten — und daneben noch der Managertyp, der an der'Spitze eines Großbetriebes, Universität genannt, nötig ist?

Daß Professor Alois Brusatti, seit einem Jahr Rektor der Wirtschaftsuniveraität Wien, bei den ersten nach' dem Universitätsorganisations-gesetz drittelparitätisch durchgeführten Wahlen für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt wurde, zeigt, daß man ihm alle diese Fähigkeiten zutraut. Am Währingerpark, in der einstigen „Welthandel“, war es auch früher meist üblich gewesen, den Rektor nach dem ersten Jahr wiederzuwählen, aber eben immer nur für ein weiteres Jahr, vielleicht noch für ein drittes. Brusatti aber muß sich nun auf insgesamt vier Jahre Rektorat einstellen, und das in Zeiten großer Veränderungen.

Der gebürtige Wiener, dessen Offizierslaufbahn mit dem Krieg abrupt zu Ende gegangen war, studierte zunächst an der Universität Geschichte und Kunstgeschichte — aber wer fragte in jenen Jahren nach Historikern? Nach vier Jahren Industrietätigkeit gelang ihm der Sorung zurück in die Wissenschaft — aber nun hinaus nach Währing. Wirtschafts- und Sozialgeschichte aber waren nicht loszulösen von der gesellschaftlichen Gegenwart, in die Brusatti in immer wieder neuen Initiativen eingriff, wo Aktion nötig erschien. Bei der Gründung der Schutzgemeinschaft „Rettet das Leben“ vor mehr als 20 Jahren — einer Urkeimzelle der späteren „Aktion Leben“ — ebenso wie bei der Schaffung der „Arbeitsgemeinschaft für Bildungspolitik“, die erstmals mit der Errichtung des „Informationsdienstes für Bildungspolitik“ — eine systematische Öffentlichkeitsarbeilit für Wissenschaft und Forschung aufzog. In Piffls „Rat für Hochschulfragen“, in der späteren Hochschulreformkommission war Brusatti ebenso aktiv, wie er es seit nunmehr 15 Jahren im Kardänal-Innitzer-Fonds ist, der sich in diesen Jahren zu einer Pflanzstätte wissenschaftlichen Nachwuchses entwickelt hat Und in wohl vielen weiteren Aktivitäten, von denen selbst der engere Freundeskreis es nur ahnt, wenn es schwerfällt, einen Termin festzulegen.

Forscher Brusatti interessiert vor allem das Phänomen der Entstehung einer „neuen Klasse“ im modernen Wirtschaftsleben der leitenden Angestellten, noch nicht Unternehmer, wenn auch weitgehend mit unternehmerischen Aufgaben betraut, und nicht mehr Arbeitnehmer im bisher üblichen Sinn der Abhängigkeit, die nur durch den Schutz der Gewerkschaft gemildert werden kann. Eine neue Gruppe zwischen den Fronten, noch kaum mit „Gruppenbewußtsein“ versehen, kaum noch mit eigenen Organisationsformeln, Ein Arbeitskreis aus Forschern und Praktikern ist dabei, die wissenschaftlichen Grundlagen zu erarbeiten, auf denen dann die Probleme dieser „neuen“ Klasse behandelt werden könnten. Auch wenn Rektor Brusatti diesen Teil seiner Arbeit zunächst seinen Mitarbeitern überlassen muß.

Denn für ihn steht zur Zeit die Durchführung des UOG im Vordergrund. Die Sparanordnuingen des Ministeriums zwingen zur Reduzierung der Lehraufträge, Assistenten-posten sollen eingespart werden. Letzte Vakanzen im Lehrkörper können nicht behoben werden, wenn keine Wohnungen zur Verfügung stehen. Immer muß der Rektor verhandeln, beraten, besprechen, entscheiden. Und daß dann doch noch gelegentlich Raum bleibt für ein Konzert, für den Abend in der Familie, ein Wochenende für die Waldarbeit beim Landhaus am Zeller-see — das scheint das Geheimnis zu sein, daß Alois Brusatti diese Vielfachbelastung nach wie vor durchsteht, und trotzdem ein 'Mensch bleibt.

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