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Ein Land braucht Hoffnung

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Es mangelt in Rumänien an Fachleuten, an Führungskräften und an Motivation. Das Kolpingwerk hilft, wo es kann.

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Es mangelt in Rumänien an Fachleuten, an Führungskräften und an Motivation. Das Kolpingwerk hilft, wo es kann.

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Wir haben keine Zukunftsperspektiven”; „Hierbleiben birgt keine Hoffnung.” Solche Sätze hörten wir - eine österreichische Journalistengruppe

- diesseits wie jenseits des Karpatenbogens. Von Mitgliedern der deutschen Minderheit im Banat ebenso wie in Siebenbürgen, von katholischen wie protestantischen Christen, im dörflichen und im kleinstädtischen Milieu. Anlaß der Beise: das Kennenlernen wirtschaftsfördernder Projekte des Kolpingwerks.

Das Kolpingwerk engagiert sich stark in Bumänien, die Karte mit den Standorten von bisher 44 Kolpingfamilien erweckt den Eindruck gezielter Streuung übers Land. Der Geistliche Alfred Weiss, Diö-zesanpräses des Wiener Kolpingwerks, koordiniert die Bumänien-Hilfe auch für „Kolping international”. Das ihm zur Verfügung stehende Jahresbudget von 2,8 Millionen Schilling ist nur noch bis Ende 1994 gesichert. 8,7 Millionen Schilling (davon 1,2 Millionen aus Österreich) sind in den vergangenen drei Jahren in die Bumänien-Hilfe geflossen, dazu Sachspenden im etwa gleichen Gegenwert.

Faraoani ist ein Dorf, wo Kolping-Vorstellungen von lokaler Wirtschaftsförderung

- durch das Wecken von Eigeninitiative - gut umgesetzt werden. Der Ort liegt im Nordosten Bumäniens. Beachtliche Betriebsamkeit herrscht in zwei Hallen, die ursprünglich Feil eines Agrar-Kombinates waren: Man betreibt eine Tischlerei mit neun Mitarbeitern und eine Bäckerei mit fünf Kräften. Eine kleine Krankenstation ist im Dorf vorhanden, und es stehen schon die Fundamente für ein Kolping-Haus.

In der Tischlerei arbeitet man eben an einem Großauftrag für ein ungarisches Bildungszentrum: Tür- und Fensterstöcke, auch neue Tische und Stühle sind in der Werkstätte gestapelt. Zirka sechs Wochen braucht man für den Auftrag, der die für rumänische Dorf-Verhältnisse geradezu sensationelle Summe von 6.000 Dollar einbringt. „Sogar in der Nacht wurde gearbeitet”, erzählt der Ortspfarrer. Die Leute sind sichtlich motiviert, die Werkstatt ist professionell organisiert.

„Mein Ziel ist es, daß ich mich überflüssig mache”, sagt Alfred Weiss. Davon kann jetzt noch keine Rede sein. Monatlich einmal fährt er nach Rumänien (und das seit Anfang 1990!), um sich vor Ort von der Arbeit in den 44 Kolpingfamilien zu überzeugen, die nötigen Hilfsmöglichkeiten und -erfordernisse abzustimmen. Er und seine Mitarbeiter müssen auch Anregungen geben und Vorgaben setzen: „Es gilt, einen Kompromiß zwischen Fördern und Fordern zu finden”, sagt Weiss, der sich bei seinen Besuchen in den unterschiedlichsten Gegenden Bumäniens auch mit sehr verschiedenartigen Mentalitäten der Bewohner konfrontiert sieht. Hier, hinter den Karpaten, scheint die Bumänien-Hilfe von „Kolping international” besonders gut zu greifen: „Die Leute hier wissen, daß sie ohne eigene Initiative nichts zu erwarten haben.”

Massive Auswanderung

Das ist im Banat (dem an Serbien und Ungarn grenzenden Landesteil) anders. Die massive Auswanderung der deutschstämmigen Bevölkerung ist bedrückende Realität, und das nicht erst seit dem Herbst 1989. Schon das Ceau-sescu-Regime ermöglichte -nicht ohne Hintergedanken — daß sich Angehörige der Minderheiten vom Westen freikaufen lassen konnten. Man entledigte sich so zugleich lästiger Kritiker, gerade der Intelligenz. Die Folge ist ein Mangel an Führungskräften.

Die Kolping-Initiativen setzen im kleingewerblichen Bereich an. Tischlereien, Schneidereien, Bäckereien, Mühlen - sie schaffen oft Hilfe in entsiedelten Gegenden, wo es gerade an solcher Infrastruktur mangelt. Früher mußten die Bewohner von Faraoani beispielsweise das Brot in der 16 Kilometer entfernten Stadt Baku besorgen. Die Brotpreise sind in den letzten Jahren explodiert, aber auch die Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel. Abhilfe tat not. Jetzt arbeitet die Kolping-Bäckerei in Faraoani zwölf Stunden am Tag, produziert 3.000 Brote. Man kümmert sich auch „hauseigen” um die Auslieferung.

Derart entschiedene Impulse sind leider noch nicht der Regelfall. „Otelu Rosu” (Roter Stahl) heißt eine Siedlung im Banat, knapp zwei

Autostunden von Temesvar entfernt. Das den Ort beherrschende Stahlwerk hat der ursprünglich deutschsprachigen Siedlung Ferdinandsberg den neuen Namen gegeben. Jetzt steht die Fabrik (mit rund 4.000 Mitarbeitern) ganz schlecht da. Eine Katastrophe, wenn sie schließen müßte! Jammern und Depression, mit wem im Ort man auch spricht. Ein schlechter Boden, um lokalen Unternehmergeist wachzurütteln! Auch hier setzt das Kolpingwerk im Kleingewerbe an: mit einer Schneiderei und Tischlerei.

Die Kolping-Hilfe zielt generell darauf ab, zwar Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen, aber dann Verantwortung zu delegieren. Harald Fasching, ein Mitarbeiter des

Kolpingwerks, ist Betriebswirt. Alle zwei Monate besucht er rumänische Betriebe. Er hilft bei der Kalkulation, regt Verbesserungen in der Betriebsorganisation an. In einem bescheidenen Bildungshaus, ebenfalls in einem entlegenen Banater Dorf, hält er Kurse. Dann kommen Kol-ping-Mitarbeiter aus allen Landesteilen zusammen, lernen Buchhaltung und andere elementare wirtschaftliche Grundbegriffe.

Zumindest gleich wichtig wie finanzielle Hilfe wäre es für das Kolping-Werk, daß qualifizierte Führungskräfte -Betriebswirte, Handwerksmeister der unterschiedlichen Bereiche - für eine gewisse Zeit den rumänischen Arbeitern zur Hand gingen, Ausbildungsarbeit leisteten. Zur Zeit hat man bei Betriebsbesuchen den Eindruck, daß es nicht am Fleiß, aber ganz erheblich am Meisterkönnen febricht. Ansprechpartner für nteressenten ist das Kolpingwerk in Wien (587-56-31/13).

Lang ist auch die Wunschliste für Maschinen, Handwerkszeug, gebrauchte Werkstatteinrichtungen. Das kann eine Zahnarzteinrichtung sein (der griechisch-katholische Pfarrer von Temesvar arbeitete vor 1989 als Zahnarzt), aber auch Friseur- und Schuhmacher- oder Buchbinder-Werkzeug. Bedarf besteht für landwirtschaftliches Gerät ebenso wie für Werkzeug, das in einer soeben entstehenden Autoreparaturwerkstätte verwendet werden soll.

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