6729070-1965_43_18.jpg
Digital In Arbeit

Die Päpste und ihre Zeit

Werbung
Werbung
Werbung

Der Kirchengeschichtsprofessor an der Münchner Universität, Georg Schwaiger, hat die fünfte Auflage der Seppeltschen Papstgeschichte (1949) nach heute vertretenen Auffassungen überarbeitet und bis auf Paul VI. weitergeführt. Das Heraustreten des Papstes aus dem Vatikan und die Unüberhörbaxkeit seiner Stimme kam nicht von heute, sondern hat deutliche Linien in der Entwicklung. Trotz aller oft neuen Beurteilung der Päpste finden wir doch auch den Hinweis, daß die Entscheidungen der Päpste aus ihrer Zeit verstanden werden müssen. Vom Anfang an werden Wurzel und Leitlinien künftiger Entwicklungen aufgezeigt. So die Zwei-Gewalten-Lehre von Augustin und Gelasius I. an (S. 47), die Ordnung der Papstwahl seit der römischen Synode von 499 (49), Grundlegung der politischen und wirtschaftlichen Macht der Päpste unter Gregor d. Gr. (60), Ausgang und Entwicklung der Säkularisierung des Abendlandes (339). Umstrittene Fragen aus der Zeit des Altertums und Mittelalters werden in ebenso klarer wie knapper Form behandelt, so etwa die Stellung des Honorius in der Frage des einfachen oder zweifachen Willens Christi (65), die politische Bedeutung des Bundes zwischen dem Papst und den Franken (84), die Ignataus-Bardas-Pho-tius-Affäre (106), das Verständnis für die Ablehnung der Jesuiten im eigenen katholischen Lager (352). Mit dem Fortschreiten der Zeit werden die Päpste immer eingehender behandelt, vor allem die Päpste des 19. und 20. Jahrhunderts. Aus der heroischen Verteidigung gegen Angriffe von allen Seiten schaffen sich die Päpste einen Platz, von dem aus selbst die Feinde der Kirche zum Aufhorchen gebracht werden. Die Kritik an Päpsten aus lang vergangenen Zeiten schmerzt weniger, als an solchen, zu denen man vielleicht noch im eigenen Leben mit Liebe und Verehrung aufgeschaut hat. Es steigt die Frage auf, ob jede dieser Kritiken notwendig war. Es sei freilich nicht bestritten, daß die Pan-egyriki für Pius XII. ..nicht völlig ungelenkt“ waren.

Es sei gestattet, als Fragen aufzuwerfen: Ist der persönliche Streit Sanfelice—Dionysius de Zanettinis während des Trienter Konzils nicht durchaus in einer Papstgeschichte entbehrlich (290)? Sind die Bezeichnungen „Reformation“ und „Gegenreformation“ statt Glaubensspaltung und Glaubenserneuerung in einem katholischen Werk wirklich notwendig? War wirklich den meisten Deutschen die Absicht der Nationalsozialisten ziemlich unbekannt (498)? Das Konstanzer Konzil hat sich vom römischen Papst nochmals einberufen lassen. Hat es damit nicht seiner bisherigen Tätigkeit den Charakter der Vorbereitung und Vorläufigkeit gegeben und gegenüber den Avignoner und Pisaner „Päpsten“ die Rechtmäßigkeit der römischen Liste anerkannt (zu S. 242)?

Wäre nicht gerade in einem Werk, das die großen Entwicklungslinien aufzeigt, auch auf die Bedeutung Benedicts XIV. für die Frauenemanzipation hinzuweisen? An seiner Universität von Bologna ließ er zwei Frauen Lehrstühle beziehen, die Mathematikerin Gaetana Aghesi und die Philosophin Caterina Bassi. Pius VI. hat durch seinen Besuch in Wien Josephs II. Gegenbesuch in Rom erreicht, wo durch Anerkennung eines Bereiches gemischter Interessen von Kirche und Staat grundsätzlich der . Standpunkt des Kanzlers Kaunitz von der absoluten Souveränität des Staates über die Kirche aufgegeben wurde. Hat also Pius VI. wirklich „fast nichts“ erreicht (366)? Muß die katholische Kirchengeschichtsschreibung die Journalistenausdrücke Pacelli- und Roncalli-Papst übernehmen? Wir wollen dankbar für alle Hinweise zu neuen und besseren Beurteilungen der Päpste sein, deshalb seien auch einige offene Wünsche angemeldet. Vielen Dank verdienen die 64 Bilder, die bestens helfen, sich in die geschilderten Menschen, Orte und Zeiten hineinzuleben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung