Gemeinden brauchen einen Leiter

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Vor vier Jahren gründeten in der Seelsorge tätige Priester die „Pfarrer-Initiative“. Eine ihrer Forderungen: Trotz des Rückgangs der Zahl der Priester müssen die Pfarren überschaubar bleiben, sie dürfen nicht zu Großpfarren mit 20.000 und mehr Mitgliedern zusammengelegt werden. Was in Südamerika – wo als Folge mehr Katholiken zu den Sekten abwandern als bei uns aus dem Kirchenbeitrag flüchten - tragischerweise an der Tagesordnung ist und in Deutschland gerade beginnt, dürfe nicht nach Österreich überschwappen. Der Pfarrer muss Seelsorger bleiben, darf nicht zum Manager werden.

Die „Pfarrer-Initiative“ bekommt durch die ORF-Umfrage bestätigt, dass nicht nur ihre 300 Unterstützer, sondern 91 Prozent der befragten Pfarrer lokale Gemeinden, in denen jeden Sonntag Eucharistie gefeiert wird, für unverzichtbar halten.

Die Umfrage-Ergebnisse erscheinen nur jenen als sensationell, die fern der Basis stehen. Erschreckend für die oberste Funktionärsebene in der Kirche ist, wie anders die unterste denkt und arbeitet.

Wäre die Kirche eine Partei, würde die Führung abgewählt, die Zölibatspflicht abgeschafft und die Frauenweihe eingeführt werden.

Das hat die Hierarchie nicht zu befürchten. Frühkirchliche Mitbestimmung des Volkes – das Bischöfe wählte und kein in der Ferne residierender Oberbischof – ist in der sonst auf Tradition schwörenden Kirche verschwunden und durch eine an Inzucht gemahnende hierarchische Personalfindung ersetzt worden, die beinahe jegliche Blutauffrischung verhindert.

Vier von fünf Pfarrern sind gegen die Zölibatspflicht, zwei Drittel sagen, „einen eigenständigen Weg gefunden zu haben“, den sie verantworten können, ohne sich näher zu äußern. Das korrespondiert mit einer Umfrage unter polnischen Weltpriestern, von denen 53,7 Prozent den Wunsch nach Ehe und Familie aussprechen und 40 Prozent zu Protokoll geben, in einer Partnerschaft zu leben oder gelebt zu haben.

Warum sieht die Kirchenführung dieses Dilemma nicht? Warum lässt sie ihre wichtigsten Arbeiter im Weinberg des Herrn in heuchlerischem Zwiespalt? Weil unter ständiger Angst Lebende leichter zu beherrschen sind?

Das Wort „Glaubwürdigkeit“, in der Ära des Missbrauchsskandals häufig verwendet, interessiert die Machthaber diesfalls wenig.

Ein Bankdirektor schätzt seine Angestellten auf Grund ihrer fachlichen Kompetenz und ihres gewinnenden Umgangs mit den Kunden. Die Kirchenführung müsste in der Suche nach geeigneten Pfarrern ähnliche Kriterien walten lassen.

Mönch- und Priestertum wieder trennen

Wer zum Gemeindeleiter gewählt wird, soll zuvor vorbildlicher Familienvater sein, fordert Paulus. Doch selbst im Paulus-Jahr wagte man es bei keiner Bischofs- oder Priesterweihe, diese Apostelforderung in einer Lesung der Festmesse vorzutragen.

Wie im ersten Jahrtausend müssten heute Kloster- und Gemeindeleben, Mönch- und Priestertum wieder getrennt werden. Ordensleute können mit ihrem Beten und Arbeiten Zeichen setzen, ganz klar. Doch kein Apostel hat Klöster gegründet, dies geschah erst Jahrhunderte später. Gemeindeleiter hingegen wurden sofort und überall eingesetzt. Sie sind unabdingbar für eine funktionierende Gemeinschaft.

Dass jüngere Priester, von denen es in unseren Breiten weniger gibt als ältere, konservativer denken, vermag die Hierarchie nicht zu beruhigen. Wer weiß, wie diese 2050 denken? Wer von denen, die heute Goldenes Priesterjubiläum feiern, hätte vor 50 Jahren gedacht, einmal den Zölibat in Frage zu stellen?

Es gibt nicht wenige Bischöfe, die als linientreu in ihre Ämter gelangt sind und im Alter anders reden. Die Schwiegermutter des Petrus wurde gesund, als sie Jesus ansichtig wurde. Ein intensiverer Blick des Nachfolgers des Fischers vom See Genezareth und seiner Genossen auf den Herrn, dessen Jünger und die Tradition könnten gleichfalls Wunder wirken, Glaubwürdigkeitsverlust nehmen und Hoffnung schenken.

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