Neue katholische Judenmission?

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Der zum Christentum konvertierte Roy Schoeman will Juden - wieder - zu Jesus bekehren.

Einen schwierigen Text hat Paulus im Römerbrief (Röm 11,25f) hinterlassen: Damit ihr euch nicht auf eigene Einsicht verlasst, Brüder, sollt ihr dieses Geheimnis wissen: Verstockung liegt auf einem Teil Israels, bis die Heiden in voller Zahl das Heil erlangt haben; dann wird ganz Israel gerettet werden.

Brauchen die Juden Jesus?

"In der exegetischen Diskussion gibt es seit langem dazu zwei einander kontrastierende Lektüreweisen des Textes", erläuterte der Linzer Neutestamentler Christoph Niemand bei einem Vortrag zum diesjährigen Tag des Judentums: Die eine Auslegungsrichtung liest den Text so, dass Paulus hier eine streng eschatologisch gedachte Rettung ganz Israels in den Raum stellt, in der Gott am Ende der Zeiten seine unverbrüchlichen Heils-und Bundeszusagen endgültig einlöst. Die andere Interpretation geht davon aus, dass die "Rettung ganz Israels" nicht ohne eine explizite und innergeschichtliche Glaubensannahme des Messias Jesus durch die Juden zu erwarten sei.

Letzterer Interpretation hat sich der amerikanische Wirtschaftswissenschafter Roy H. Schoeman, der als Jude eine "unerwartete und überraschende Bekehrung zum katholischen Glauben" erlebt hat, verschrieben. Für ihn sind jüdische Existenz und katholischer Glaube vereinbar: Es sei dies die Erfüllung des Neuen Bundes durch die "Rückkehr der Juden bei der Wiederkunft durch den Alten Bund", wie er in seinem Buch Das Heil kommt von den Juden. Gottes Plan für sein Volk ausführt.

In fundamentalistischer Manier zeigt Schoeman mit der Bibel, wie Gott seinen Heilsweg geplant hat: Er habe sich ein Volk erwählt, ihm seine Gesetze geben, er musste sich darum kümmern, dass jemand fürs Kommen des Messias betete; nicht zuletzt brauchte der Erlöser eine Mutter und ein Zuhause. "Vor allem mussten sie die reine Identität ihrer Rasse als Samen Abrahams aufrechterhalten, um die Verheißung Gottes, der Samen Abrahams werde zum Segen aller Völker der Erde, zu erwirken: durch die Hervorbringung des Messias", so Schoeman. Verstaubte Rassenlehre, philosemitisch gewendet: Damit ist der Alte Bund erfüllt, ab nun gilt der Neue.

Auf dem Boden der katholischen Lehre steht Schoeman damit allerdings nicht. Am Karfreitag betet die Kirche, Gott möge die Juden "in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen" bewahren und die Päpstliche Bibelkommission hielt 2001 fest: "Die jüdische Messiaserwartung ist nicht gegenstandslos. Sie kann für uns Christen ein starker Ansporn sein." Bei beiden kirchlichen Aussagen behält jüdischer Glaube den eigenen Wert, ja er wird sogar als Vorbild hingestellt.

Edith Stein, falsch zitiert

Ganz anders Schoeman: Wenn es - beispielsweise - um die Schoa gehe, seien "Christen im Umgang damit theologisch besser gerüstet" als Juden. Er stellt dabei das Denken Edith Steins als "hellen Kontrast" gegen Elie Wiesels Ringen um ein Verständnis des Unvorstellbaren. Nicht nur der überwunden geglaubte Gegensatz zwischen dunkel und hell, wenn die Kirche über das Judentum sprach, lebt hier wieder auf: "Das ist der Schatten des Kreuzes, der auf mein Volk fällt! Das ist die Erfüllung der Verwünschung, die mein Volk selbst auf sich herab gerufen hat!" Ein vermeintliches Zitat Edith Steins mit dem traditionellen Gottesmordvorwurf dient als Erklärung für den Holocaust. Manfred Deselaars, Leiter des Begegnungszentrums für Gebet und Dialog in Auschwitz, erhebt Einspruch: Dies sei ein Satz, den ihre Novizenmeisterin ihr in ihren Erinnerungen in den Mund legt. Es gebe keinen originalen Edith Stein-Text, der in diese Richtung weise.

Es bereitet Roy Schoeman Sorgen, dass der Nationalsozialismus oft als christliches Phänomen dargestellt werde. Das mache es Juden schwer, sich zu Jesus zu bekennen. So beschreibt Schoeman ausführlich die heidnischen Wurzeln des Nationalsozialismus. Dieser sei ein diabolischer Versuch, die Bekehrung der Juden und die Wiederkunft Christi zu verhindern.

Ein Tabubruch: Soweit mir bekannt, erscheint erstmals seit dem Konzil in einem katholischen Verlag ein Buch, das offen für Judenmission eintritt. Nicht allgemein für Judenmission: Sondern für die Aufnahme von getauften Juden als gesonderte Gruppe in die katholische Kirche.

Katholischer Tabubruch

"Sie könnten ihrem weiterhin bestehenden Herzenswunsch nachkommen, die jüdischen Hauptfeiertage zu begehen, und sie könnten die Heiligste Dreifaltigkeit in der Art und Weise anbeten, die ihrer jüdischen Seele am meisten entspricht." Wenn es Juden gebe, die "an Christus und die Kirche glauben" und nicht aufgehört hätten, ihre jüdische Identität zu bewahren, könne dies "ein kraftvolles Evangelisierungswerkzeug sein, um weitere Juden zum Glauben (sic!) zu bringen."

Wer hat ein Interesse daran, die Errungenschaften des Konzils, die sich mit "Zeugnis, Begegnung, Dialog" umschreiben lassen, rückgängig zu machen?

Der Autor ist Geschäftsführer des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit

Das Heil kommt von den Juden

Gottes Plan für sein Volk

Von Roy H. Schoeman. St. Ulrich Verlag, Augsburg 2007, 326 S., geb. € 20,50

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