Die EU steckt in einer Krise. Wir brauchen sie, aber sie hat immer weniger Kraft, das Europa-Bewusstsein unter den Menschen am Leben zu erhalten. Die christlichen Kirchen auf dem Weg zur Einheit könnten dem öffentlichen Bewusstsein einen kräftigen Ruck versetzen! Eine Überwindung der Kirchenspaltung würde dem Christentum auch wieder mehr gesamtgesellschaftliche Bedeutung verschaffen.
So sprach dieser Tage Kardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, im steirischen Schloss Seggau (vgl. FURCHE Nr. 21). Solche Töne darf man nicht unerwidert verhallen lassen. Noch vor einem Jahr warnte Koch-Vorgänger Walter Kasper vor überzogenen Hoffnungen auf eine "liberale katholisch-evangelische Ökumene“, wie sie damals in Deutschland Aufsehen erregte. In einem Aufruf "Ökumene jetzt“ beteuerten Prominente unterschiedlicher Herkunft die große Sehnsucht in beiden Kirchen nach neuen Schritten in Richtung Einheit.
Die unterschiedliche Wortwahl lässt aufhorchen. Beim letzten Deutschland-Besuch hatte Papst Benedikt alle Hoffnung auf ein Dokument der Versöhnung im Reformations-Gedächtnisjahr 2017 vom Tisch gewischt. Papst Franziskus hat zumindest körpersprachlich die Atmosphäre verändert. Die Ärgernis erregende Formel "Die Einheit wird kommen - wie, wo und wann liegt in Gottes Hand“ gilt auf katholischer Seite noch immer. Aber immer gilt auch noch die Mahnung Jesu: "Seid einig, damit die Welt glaubt“. In Europa hat der Rückzug vom Glauben mit Reformationsstreit und Religionskriegen begonnen.
Viele warten heute gar nicht mehr auf ein feierliches Papier der Kirchenspitzen. Heute geht es um Ja oder Nein zu Christus. Eine weithin sichtbare Geste christlicher Einheit würde Feuer in Millionen Herzen entfachen, religiös und auch politisch.
Der Autor ist freier Publizist und war von 1978 bis 1984 Chefredakteur der FURCHE
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