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Offenheit — Wahrheit — Einmütigkeit

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In der Arbeitsgruppe „Kirchenreform“ ebenso wie in der Arbeitsgruppe „Politik“ ging es nicht weniger lebendig zu. Die Kirchenreformer setzten ihre Bemühungen von Dortmund und Köln fort, nach neuen Gestaltsmodellen und lebendigen Gemeinden zu suchen, das gottesdienstliche Geschehen und die Lebensformen der Gemeinde den gegenwärtigen Möglichkeiten echter Verwirklichung anzupassen. Die Arbeitsgruppe „Politik“ erlebte unter intensivster Beteiligung von Tausenden alle drei Tage hindurch Höhepunkte der Diskussion: Politiker, ja Minister aller Parteien, Politologen, Wirtschaftsfachleute und Soziologen rangen mit Theologen und Kirchenmännern um die Grundfragen der Aufgaben des modernen Staates und der technischen Gesellschaft.

Auch hier zeigte sich das Eigentümliche des protestantischen Erbes in seinem besten Licht: die schonungslose Offenheit des Gesprächs brach der Wahrheit Bahn. So realisierte sich gerade hier das anspruchsvolle Motto des Kirchentages von Hannover „Der Friede ist unter uns“: Im Glauben an den uns Menschen im Herrn Jesus Christus geschenkten Frieden wissen sich die Christen als Glieder der Kirche aufgerufen, dem Frieden unter den Menschen auf allen Lebensgebieten Bahn zu brechen und ihn nach Möglichkeit zu verwirklichen.

Selbstverantwortung des Christenmenschen

Einen diesbezüglichen Höhepunkt stellte ohne Frage der wissenschaftlich-philosophisch schwer befrachtete Vortrag „Frieden — Wahrheit“ von dem weltbekannten Physiker Dr. Carl Friedrich von Weizsäcker aus Hamburg, dem Bruder des Kirchentagspräsidenten, in den überfüllten Sälen des Stadthallengeländes dar. Echo und Reaktion der mehr als tausend Zuhörer war überwältigend. Vielleicht ist an diesem Abend sichtbar geworden, was man Tugend und Vorzug protestantischer christlicher Frömmigkeit nennen kann: unbedingte Redlichkeit intellektueller Welterkenntnis, politische Verantwortung und eine Theologie des Glaubens, die in die letzte Tiefe der Heilsfrage eingeht. „Glaube, der in der Liebe tätig ist“, im Gewände moderner Selbstverantwortung des Christenmenschen.

Es will scheinen, daß mit diesem Kirchentag der deutsche Protestantismus sich selber wieder auf neuer Ebene gefunden hat. Vielleicht ist es wieder um einen Zug protestantischer geworden als in den vergangenen Jahren, aber dieser Protestantismus hat nichts mit verhärtetem Konfessionalismus zu tun, sondern empfindet sich als ein lebendiges Glied der Ökumene. Das kam symbolträchtig dadurch zum Ausdruck, daß nicht nur der frühere und der jetzige Generalsekretär des Weltkirchenrates in Genf an den Spitzenikundgebungen teilnahmen, sondern auch der zuständige katholische Oberhirte, der Bischof von Hildesheim, mit anderen Würdenträgern seiner Kirche. Es dünkt uns, daß man für das Geschehen in Hannover dankbar sein darf.

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