Wenn Sie so wollen ...

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Floskeln kommen, Floskeln gehen. Ihre Erfinder sind so wie jene der meisten Witze kaum eruierbar, und das dürfte ihnen, nämlich den Erfindern, nicht schaden, sind doch die meisten modernen Redewendungen von eher minderer Qualität.

Wenn ich nicht irre, ist jedoch der Urheber des Satzanfanges "Ich gehe davon aus, ..." Herr Vranitzky, und er fand für sein Ausgehen schlagartig eine Unzahl von Nachahmern, die bis zum heutigen Tag von diesem Unfug nicht mehr lassen können. Vielleicht wollte der nunmehrige Altbundeskanzler seinem Vorgänger Kreisky und dessen "Ich bin der Meinung, ...", wogegen wenig zu sagen ist, etwas Gleichwertiges entgegenhalten, wie auch immer, der Ausgang hat sich, leider, durchgesetzt.

Ähnlich verhält es sich mit jenem Satz allerdings anonymer Herkunft, der mich jedoch mehr als jeder andere Sprach-Unsinn auf die Palme bringt.

Da fragt etwa ein harmloser Reporter einen Minister nach den jüngsten Ergebnissen seines Ressorts. Und der Mann beginnt diverse vermeintliche und tatsächliche Erfolge aufzuzählen. Unweigerlich kommt dann jene Stelle, wo er etwa sagt: "Wir haben also einiges erreicht, wenn Sie so wollen, in überdurchschnittlich kurzer Zeit."

Wenn Sie so wollen, hat er also gesagt. Wieso, so frage ich mich, weiß er, was der Reporter will? Beziehungsweise was will der Reporter denn überhaupt, der Aussage des Ministers nach? Will er, daß die Erfolge in kurzer Zeit erreicht worden sind? Will er es nur sagen? Will er überhaupt etwas sagen? Warum unterschiebt der Interviewte dem armen Kerl, der sich lediglich nach etwas erkundigt hat, noch dazu auftragsgemäß und gar nicht seinem eigenen Triebe folgend, ein Wollen? Diese Redewendung ist, halten wir's fest, ein mieser Trick. Der sie anwendet, tut so, als sage er im Augenblick seiner Antwort etwas, was der Frager ja genauso sieht wie er. Er legt seine Worte dem Gegenüber in den Mund, und der kann spontan gar nichts dagegen tun, er kann sie nicht einmal ausspucken. Er macht sein Visavis, meuchlings, aber durch eine vermeintlich legitime Floskel gedeckt, im Handumdrehen zum Komplizen.

Er sagt: Wenn Sie so wollen. Das impliziert natürlich, da es den Konjunktiv darstellt, die Möglichkeit des anderen, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Doch tut es das nur scheinbar. Im Moment des Zungenschlags zum letzten der vier so harmlos daherspazierenden Wörter ist der arglose Gesprächspartner bereits ein Gefangener eines der hinterfotzigsten Versatzstücke, die sich in der Unkultur der jüngsten Sprechgewohnheiten schmarotzerhaft ins Reich der Vokabeln eingenistet haben.

Wenn Sie so wollen, verehrungswürdige Leserin, hochachtbarer Leser, dann lassen wir's dabei. Wenn Sie aber nicht wollen, dann ziehen Sie doch bitte gemeinsam mit mir gegen diese Phrase in die Schlacht.

Es wäre doch gelacht, wenn derlei Plattheiten nicht aus der Welt zu schaffen wären. Ich gehe zumindest davon aus, wenn Sie so wollen.

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