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Die Tragweite des „Amtshaftungsgesetzes“

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Mit BGB'l. Nr. 5 vom 31. Jänner 1949 ist das Bundesgesetz, durch das die Haftung des Bundes, der Länder, der Bezirke, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechtes für den in Vollziehung der Gesetze zugefügten Schaden geregelt wird, das „Amtshaftungsgesetz“, verlautbart worden. Es ist bestimmt, den Ersatzanspruch des Geschädigten und den Rückersatzanspruch des Rechtsträgers zu regeln.

Das Gesetz verfügt dementsprechend über die Haftung der Rechtsträger des Staates, der Gemeinden, öffentlichen Körperschaften usw. für den Schaden, den ihre Organe in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben und überdies die Haftung dieser Personen dem Rechtsträger gegenüber, soweit ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fallt, für die Ersatzleistung, die der Rechtsträger dem Geschädigten leisten müßte .

1 Die im Absatz 3 des Artikels 23 der Verfassung enthaltene Haftung der Organe für den Schaden, den sie durch ein rechtswidrriges Verhalten dem Rechtsträger unmittelbar zugefügt haben, ist mangels eines Ausführungsgesetzes n i c h t wirksam geworden.

Es ist nunmehr Aufgabe der Rechtsträger, im Interesse eines geordneten Budgets Vorsorge zu treffen, damit dieses nicht durch unvorhergesehene Ausgaben größeren Umfanges, die ihnen aus den Bestimmungen des Gesetzes erwachsen, in Unordnung gerate. Sie müssen diese an sie künftig herantretenden vermögensrechtlichen Ersatzansprüche der Geschädigten sicherzustellen bestrebt sein, in dem sie entweder Rücklagen bilden oder Versicherungsverträge abschließen. Das gleiche gilt hinsichtlich der von eventuellen künftigen Rückersatzansprüchen der Rechtsträger betroffenen Organen derselben.

Für diesen künftigen Vermögensbedarf vorzusorgen, ist äußerst schwierig, weil Rechtsträger sowohl — man denke nur an die prekäre Finanzlage mancher Gemeinden und Krankenkassen — wie ihre Organe in der Regel zu schwach sein werden, den Bedarf aus eigenen Mitteln zu decken oder auch nur dafür budgetmäßig vorzusorgen.

Der Bund, abweichend von dem anläßlich der Vorarbeiten zu diesem Gesetze ein-

genommenen Standpunkt, hat sich nunmehr dafür entschieden, das allfällige Risiko auf sich zu nehmen, auf seine Regreß- nahme gegenüber seinen Organen bei grobfahrlässigem Verhalten zu verzichten; d a- f ür aber will er von dieseneine Umlage einheben, von der Erwägung ausgehend, daß die zu bezahlenden Prämien angesichts des überdimensionierten Beamtenapparats durch ihre Geringfügigkeit in keinem Verhältnisse zu eventuellen Schadensfällen stünden. Dies muß wohl hingenommen werden, obwohl schwere Bedenken gegen diese Vorgangsweise nicht von der Hand zu weisen sind. Ein gleiches Vorgehen hat der Bund auch den Ländern empfohlen.

Nach den Statistiken, die über den Schadensverlauf im Deutschen Reiche von den dortigen Versicherungsgesellschaften angelegt worden sind, haben diese innerhalb von zehn Jahren insgesamt rund 60.000 Schadensfälle mit einer Schadenssumme von rund 5 V't Milliarden Reichsmark liquidiert. Mögen auch die Verhältnisse im Deutschen Reiche anders gelagert sein, so geben diese Zahlen immerhin zu denken. Jedenfalls ist, zumal in der ersten Zeit der Anwendung dieses Gesetzes, insolange noch keine oberstgerichtliche Judikatur besteht, mit einer Flut von Schadensersatzprozessen zu rechnen die noch dazu vorwiegend mit Armenrecht geführt werden. Sie werden nicht zur Beruhigung im Staatshaushalt und auch nicht der Bevölkerung beitragen.

Auf jeden Fall aber werden sich die übrigen Rechtsträger eine Selbstversicherung nicht leisten können und ihr Risiko im Wege der Privatversicherung abdecken müssen. Tatsächlich laufen schon bei den Versicherungsgesellschaften zahlreiche Anfragen von Gemeinden und sonstigen haftpflichtigen Gebietskörperschaften ein. Als solche kommen nach Wegfall von Bund und Ländern in Betracht:

Gemeindevorstand (Stadtrat, Stadtsenat), Schlichtungsstellen, Mietkommissionen, Auf- bringungs-, Bauausschüsse, Kommissionen in Bau- und feuerpolizeilichen Angelegenheiten, bei Begutachtung von Betriebsanlagen usw.;

Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft mit ihren 11 Abteilungen, 6 Sektionen, 54 Bundesinnungen, 31 Bundesgremien, 46 Fachverbänden;

Landeskammern samt ihren Organisationen;

Landwirtschaftskammer, Arbeiterkammer und deren Gliederungen;

sämtliche Berufskammern;

Träger der Sozialversicherung auf dem Gebiete der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung.

Diese Rechtsträger haften nach § 1, 1 für den Schaden am Vermögen oder der Person, die ihre Organe in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer zugefügt haben, wobei das Organ nicht haftet und der Schaden nur in Geld zu ersetzen ist.

Dieselben Rechtsträger können von den Personen, die als ihre Organe gehandelt haben und die Rechtsverletzung vorsätzlich oder grobfahrlässig verübt oder verursacht haben, Rückersatz begehren.

Der Eintritt der Schadenshaftung der Rechtsträger setzt demnach voraus, daß ein Schaden am Vermögen oder an der Person zugefügt worden ist und den der Geschädigte durch Rechtsmittel oder durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht abwenden konnte. Weiter, daß den Schaden eine als Organ des Rechtsträgers handelnde Person zugefügt hat, und zwar in Vollziehung der Gesetze und schuldhaft, das heißt im Rahmen jener Aufgabe, zu deren Durchführung der Rechtsträger errichtet ist, wobei dieses schuldhafte Verhalten in einer Handlung oder Unterlassung bestehen kann.

Hieraus ergibt sich eine Fülle vqn Tatbeständen, die zu einer Amtshaftung führen können, die bei der Erteilung unrichtiger Auskünfte, Zurückweisung einer Eingabe durch den Amtsgehilfen anfangen und beim Bescheide, Erkenntnis oder beim Kunstfehler des Arztes des Sozialversicherungsträgers enden, Tatbestände, die einen ganz gewaltigen Personenkreis, die als Organe des Rechtsträgers handelnden Personen umfassen. Während bei Gemeinden nur die im Bereiche der Hoheitsverwaltung tätigen Organe in Betracht kommen, ist diese Frage bei allen übrigen Rechtsträgern sehr schwer zu entscheiden. Nach Ansicht verfassungsrechtlicher und ministerieller Stellen sind auch Amtsgehilfen und Stenotypistinnen einzubeziehen. Es macht hiebei keinen Unterschied, ob es sich um Vorsitzende, Obmänner und deren Stellvertreter, Beamte, Angestellte, ehrenamtliche Mitarbeiter, vielleicht sogar politische Mandatare usw. handelt.

Die Risken aus dem Amtshaftungsgesetze können im Rahmen der Versicherungsbedingungen für die derzeit in Österreich bestehende Haftpflicht- oder Vermögensschadenversicherung nicht versichert werden. Vielmehr mußten solche vom Verband der Versicherungsanstalten Österreichs neu ausgearbeitet werden und können erst nach Genehmigung durch das Aufsichtsamt beim Bundesministerium für Finanzen verlautbart werden.

Nach der Struktur der abzuschließenden Versicherungen wird man es mit zweierlei Versicherungsverträgen zu tun haben, einerseits mit dem Versiehe-

rungsvertrag zwischen Rechtsträger und Versicherungsträger, mittels welchen der erstere für die ihm obliegende Schadenersatzpflicht versichert wird, und andererseits mit dem Versicherungsvertrag zwischen dem Organ des Rechtsträgers und Versicherungsträger, womit ersterer seine aus dem Amtshaftungsgesetz resultierende Regreßhaftung dem Rechtsträger gegenüber versichert.

Die Deckung des Risikos aus der Amtshaftung durch die Versicherung wird, wie zu hoffen steht, den mannigfach befürchteten Folgen des Amtshaftungsgesetzes: der Beeinträchtigung der Entscheidungsbereitschaft und des Arbeitstempos, entgegenwirken. Denn durch die Versicherung werden doch die Folgen zufällig eintretender Schäden, die ansonsten Störung oder sogar Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz so manchen Beamtens zur Folge haben könnten, ausgeschaltet.

Den Versicherungsträgern wird nunmehr das Amtshaftungsgesetz die Gelegenheit bieten, sich als die Ergänzung allen wirtschaftlichen Tuns zu bewähren und die ethische, wirtschafts- und sozialpolitische Aufgabe und Stärke der Versicherung darzutun.

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