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Die Zukunft der Isotopenwirtschaft

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Im Forschungsteam selbst sieht man heute noch eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die sich mit absoluter Logik eben aus jenen bisher betriebenen kommerziellen „Fleißaufgaben“ ergeben. Man hat u. a. erkannt, daß in Österreich gegenüber dem westlichen und sogar gegenüber dem östlichen Ausland eine erstaunliche Unterversorgung an Isotopen herrscht. Die Versorgung der Wirtschaft, vor allem mit kurzlebigen Isotopen, die nur in nächster Nähe der Verbrauchsgebiete hergestellt werden können, wird daher eine der wichtigsten Aufgaben von Seibersdorf werden, wenn man in der österreichischen Wirtschaft, im Verkehrswesen, im öffentlichen Sektor usw. erkannt hat, welche unglaublichen Rationalisierungsmöglichkeiten in den Isotopen verborgen sind.

Als vor etwa zehn Jahren der österreichischen Presse die ersten Ansätze der Isotopenwirtschaft ge zeigt wurden, ergab das Schlagzeilen. Wir sind aber heute über das erste Stadium der Isotopenwirtschaft noch immer nicht hinaus. Hier sind also Möglichkeiten offen, die allerdings ein Unternehmertum verlangen, das man von Wissenschaftlern nicht voraussetzen kann. Die Kombination des Reaktorzentrums mit einer kommerziell denkenden Institution ist daher nicht nur nicht von der Hand zu weisen, sondern ein Gebot der Stunde. So gesehen ist die einleitende Bemerkung und der Vorschlag von Higatsberger eine Diskussionsgrundlage, die man weder mit emotioneller Entrüstung noch mit Gleichgültigkeit übergehen darf.

Neben der sich herauskristallisierenden Gutachterstellung und der inländischen Monopolstellung eines Isotopenproduzenten ergibt sich für Seibersdorf noch eine weitere Aufgabe, die wieder mit der Entwicklung der Atomenergiewirtschaft in der Elektrizitätsversorgung der westlichen Welt zusammenhängt.

Die enormen Bestellungen auf Atomkraftwerke in den letzten zwei Jahren haben zu einer Blockierung der westlichen Lieferfirmen auf mehrere Jahre hinaus geführt und zu einer derartigen Verlängerung der Lieferfristen, daß man bereits wirtschaftliche Engpässe fürchtet. Die Lieferindustrie ist daher heute bestrebt, Unteraufträge und Weiteraufträge an leistungsfähige Unternehmen in noch nicht erfaßten Ländern und Wirtschaftszweigen zu vergeben. Hierfür kommt Österreich besonders in Betracht, dessen Industrie sich bereits als Lieferant für ausländische Atomzentren hervorragend bewährt hat.

Es entspricht der internationalen Gepflogenheit, sich in diesen Fällen meistens eines fachlich geeigneten begutachtenden Vermittlerunternehmens zu bedienen, um einwandfreie Produkte zu erhalten. Als Vermittler kommt in Österreich fast ausschließlich wieder nur Seibersdorf in Frage, das zu diesem Zweck auch schon herangezogen wird.

Nicht auf Sparflamme schalten!

Das Atomzentrum Seibersdorf auf Sparflamme unter Budgetgesichtspunkten zu schalten, wäre verfehlt. In einer Welt, in der die Atomwirtschaft in jeder Hinsicht ein zukunftsträchtiger Wirtschaftszweig ist, sollte man dieser Sparte besondere Investitionsaufmerksamkeit zuwenden. Wie man hört, ist daran gedacht, die Alleinkompetenz für die Atomenergie in der kommenden Neuverteilung der staatlichen Kompetenzen dem Bundeskanzleramt zuzuteilen. Damit wäre das Gewicht, das man dem Atomzentrum zuteilen muß, verwaltungsmäßig richtig bemessen. Mit der Kompetenzregelung allein ist es aber nicht getan, das wichtigste ist die Aufgabenstellung und ihre finanzielle Bewältigung. Man wird gut daran tun, die neue Aufgabe sehr bald ebenso lapidar zu formulieren wie 1957 und dort, wo es notwendig ist, für die kommerzielle Ergänzung des wissenschaftlichen Bereichs zu sorgen.

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