Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Auswahl und Ausbildung der Mittelschullehrer
Daß solche Darlegungen überhaupt notwendig sind, erklärt sich aus der Auswahl und Heranbildung unseres Mittel-schullehremachwuchses, womit einer der wundesten Punkte unse-res'gesamten Bildungswesens berührt wird.
Jeder Jurist, jeder Arzt, jeder Ingenieur, ja jeder Handwerker oder Gewerbetreibende erfährt eine systematische, in verschiedene Vorstufen gegliederte Ausbildung. Nur die künftigen Lehrer an unseren Mittelschulen sind vom ersten Studienjahr völlig plan- und hilflos der akademischen Lehr- und Lernfreiheit ausgeliefert, um nach vier- bis fünfjährigem ziel- und regellosen Studien sich im Grunde einer einzigen Abschlußprüfung zu unterziehen. Dieser durchaus zweckwidrigen B e r u f s v o r b e r e i t u n g wird allerdings noch eine didaktische, überaus dilettantisch gelehrte Tünche und ein Probejahr hinzugefügt, worauf die jungen Lehrer, bei entsprechendem Bedarf, sofort in den obersten Mittelschulklassen auf die Mittelschuljugend losgelassen werden.
Zur Ehre der österreichischen Mittelschullehrerschaft muß allerdings gesagt werden, daß sie auf Grund einer Art natürlicher Zuchtwahl im großen und ganzen den fachlichen und pädagogischen Anforderungen ihres Berufes gewachsen ist, besonders jene Kandidaten, die das Glück gehabt haben, ihrerseits während ihres Mittels c h ulstudiums an ihren Lehrern gute Vorbilder zu finden.
Der fast völlige Mangel jeder Aufstiegsmöglichkeit sowie die elende Entlohnung machen übrigens den Mittelschullehrerberuf für besonders strebsame und ehrgeizige junge Leute nicht sehr attraktiv. Durch den ständigen Kontakt mit jungen, bildungsbedürftigen Menschen werden die Professoren im Laufe der Zeit ihrer dreißig Dienstjahre zu einer Kaste etwas weltfremder Sonderlinge, die aus ihrem berufsmäßigen Überlegenheitsgefühl heraus leicht den Blick für die großen gesellschaftlichen Zusammenhänge verlieren, vor allem aber in allzu großer Bescheidenheit den Sinn für die soziale und kulturelle Mission ihres Standes vermissen lassen.
Die Folge davon ist eine seltsame Uberschätzung der äußeren Mechanik des Schulwesens. Das Streben der Direktoren nach einer möglichst großen Klassen- und Schülerzahl führt zu einer Verfälschung der wirklichen Erfolge unter dem Deckmantel besonders schonender Behandlung der minderbegabten Schüler. Dazu gesellt sich eine groteske Überbewertung der'Methodik bei gleichzeitiger Zermürbung der individuellen Lehrerpersönlichkeit. Die Bewertung der kulturell und wirtschaftlich wirklich bedeutungsvollen Bildungsziele unseres höheren Schulwesens wird durch eine Art Liebedienerei schulfremden Mächten gegenüber beeinträchtigt; sie wieder äußert sich in einer Uberschätzung vergänglicher modischer Schlagwörter, die bald unter dem irreführenden Namen der „Arbeitsschule“, bald unter dem Gaukelspiel einer utopischen „Schülerselbstverwaltung“ ihr Wesen treiben, bald in Form eines Uberwucheftis des Sportbetriebs und anderen Unterhaltungskults auftreten, die einem ernsten, gediegenen und wahrhaft modernen Schulbetrieb wesensfremd sind.
Hier aber schließt sich der fehlerhafte Zirkel der chronischen „Reform“ unseres Bildungswesens. Solange die Ausbildung unserer Mittelschullehrer nicht eine Gewähr dafür bietet, daß nur die für diesen Beruf wirklich geeigneten Anwärter im Wege einer auf strengster Auslese beruhenden Vorbereitung auf jene geringe Zahl beschränkt werden, die von einer jeder parteipolitischen Beeinflussung trotzenden Überzeugung von dem rein aristokratischen Charakter jedes höheren Bildungserwerbes durchdrungen sind, solange werden die hier entwickelten Leitgedanken, die einer tiefen Sorge um die Entwicklung unseres Schulwesens entspringen, un-verwirklicht bleiben.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!