6588446-1952_10_08.jpg
Digital In Arbeit

Der österreichische Schulfunk

Werbung
Werbung
Werbung

Der Schulfunk ist ein Unterrichtsmittel, das die moderne Technik ebenso wie den Film und die Schallplatte der Schule geschenkt hat, um den Unterricht zu bereichern und zu ergänzen. Darin liegt der Kernpunkt der Frage seiner Existenzberechtigung und seiner Verwendung. Er darf nicht den Lehrer ersetzen oder verdrängen wollen, er hat alles zu vermeide was der Lehrer selbst geben kann, und darf nur bringen, was die Schule selbst nicht bieten kann und was sie dennoch braucht und gerne haben möchte. Er muß auf die Fassungskraft der Schüler und ihre Interessen nach Altersstufe und Schulgattung Rücksicht nehmen und muß funktechnisch einwandfrei sein.

Aus dieser grundlegenden Erkentnnis heraus gestaltete Direktor Dr. H e n z im Jahre 1932 die ersten Versuchssendungen und erreichte bald die Anerkennung der Lehrerschaft und auch die Beachtung des Auslands. Damals gab es zwei bis drei Sendungen in der Woche. Seit 1945

nahm der Schulfunk dank der guten Zusammenarbeit zwischen der Schulfunkabteilung der Ravag und den Fachleuten der Schule einen großen Aufschwung. Das Programm bietet heute die Auswahl aus etwa 450 Sendungen im Schuljahr. Bei der Erstellung des Jahresprogramms wirken die Arbeitsgemeinschaften der Lehrerschaft, die Schulfunkarbeitsausschüsse der Bundesländer und die Schulbehörden mit. Alle entsenden ihre Vertreter in die große österreichische Schul-

funkkommission, in der sie ihre Wünsche bekanntgeben und den Entwurf des Programms für das nächste Schuljahr gutheißen. Das Jahresprogramm und die Manuskripte der einzelnen Sendungen werden von Fachleuten überprüft und dem Unterrichtsministerium zur Approbation vorgelegt. So ist dafür gesorgt, daß nur pädagogisch Wertvolles an die Schüler herangebracht wird. Die Schulfunksendungen haben auch außerhalb dear Schule -viele Hörer gefunden, weil sie fn leicht faßlicher Form interessantes

Bildungsgut darbieten.

Der Schulfunk wird als einzige gemeinsame Sendung von allen Sendern in Österreich übernommen.

Das Buch, das illustrierte Blatt und der Film wenden sich an das Auge, und auch nnsere Schüler, besonders diejenigen, die viel lesen, geraten in die Gefahr,, einseitig das Auge zu bevorzugen. Der Schulfunk sieht eine höchste Erziehungsaufgabe darin, die Schüler wieder zum bewußten Hören zu erziehen und die Fähigkeit zu wecken, einen anderen geduldig und aufmerksam anzuhören und auf seine Gedanken einzugehen.

An das Ohr wendet sich die Musik in allen ihren Erscheinungsformen, sie nimmt daher im Schulfunk einen wichtigen Platz ein und ordnet sich in das musische Erziehungsprogramm der Schule ein. Ebenso bedeutend ist das gesprochene Wort, sei es in deutscher Sprache oder in einer Fremdsprache, sei es in der ßchlichten Alltagsprosa eines wissenschaftlichen Berichts oder in der geho benen Bühnensprache, wenn die Verse eines Dichters oder eines Schauspiels durch den Mund hervorragender Künstler Leben gewinnen. Der Fremdsprachunterricht bringt Lehrgänge in Russisch, Englisch und Französisch.

Der Schulfunk erregt die Aufmerksamkeit seiner Hörer durch eine lebendige, funkmäßig richtige Gestaltung der Sendungen. Darum werden Märchen und Sagen, die von den Kindern des Volkg- schulalters gerne gehört werden, dramatisiert, die Sendungen für die Zehn- bis Vierzehnjährigen in der Haupt- oder Untermittelschule bevorzugen die Form des Gesprächs. Nur selten wird für die Oberstufe der Mittelschulen die Form des wissenschaftlichen Vortrags durch inen Fachmann gewählt. Die Dramatisierung stärkt das seelische Erlebnis des Schülers, reißt ihn mit und schafft so die Bereitschaft für die willige Aufnahme des Dargebotenen.

Die Ausstattung der Schulen mit Empfangsgeräten hat in der letzten Zeit große Fortschritte gemacht. Manche Schulen besitzen eine große Empfangsanlage mit Lautsprecher in jeder Klasse. In der letzten Zeit trachten besonders die höheren Schulen, weil die Sendungen des Schulfunks mit den Unterrichtsstunden nicht immer übereinstimmen, ein Magnetophon zu erhalten, mit dem 6ie die Schulfunksendung aufnehmen und zu passender Zeit abspielen können.

Es ist selbstverständlich, daß der Schulfunk bei der Auswahl der Bildungsstoffe das österreichische Kulturgut bevorzugt und so auch bei der staatsbürgerlichen

Erziehung der Jugend mitwirkt. Die literarischen Sendungen des laufenden Schuljahrs bringen zum Beispiel Proben von österreichischen Dichtem, wie Schönherr, Ginzkey, Wildgans, Stifter, Grillparzer, Nestroy, Anzengruber, Ebner- Eschenbach, Karoline Pichler, Petzold,

Grogger, Mell, Schaukal, Klopfer, Henz und Brunngraber. Rührend war es, als der Schulfunk die greise Dichterin Handel - Mazzetti mit dem Mikrophon aufsuchte und sie der Jugend aus ihrem dichterischen Schaffen erzählte und aus dem Gedächtnis zwei ihrer Gedichte sprach.

Die Geschichtssendungen bringen Sagen aus Wien und aus jedem Bundesland, für die Hauptschulklassen Bilder aus Wien vor 50 Jahren, vor 500 und 800 Jahren, Berichte über Funde aus der Urzeit in Hartenstein, in Hallstatt und aus der Keltenstadt am„ Magdalensberg in Kärnten, auch in den aufsteigenden Klassen der Hauptschule und der Unter- mittelsdiule begleiten die Geschichtssendungen den Unterricht: die Gründung des Klosters Heiligenkreuz, die Georgenberger Handfeste, Wien bekommt das Stadtrecht, Mozart vor Maria Theresia, der Wiener Kongreß, das Burgenland kommt zu Österreich, aus der Biedermeierzeit, die erste Dampfeisenbahn in Österreich, große österreichische Erfinder, wie Ressel, Markus, Kreß, Madersperger, aus dem alten Zunftleben, im Panteiding, die Türken vor Wien, Prinz Eugen als Staatsmann und Kunstgönner sind einige Titel solcher Sendungen.

Die Geographie schildert Land und Leute in Österreich, führt uns durch die Bundesländer und beschreibt die österreichischen Exportgebiete und die dazugehörigen österreichischen Erzeugungsbetriebe.

v Auch die Naturwissenschaften bringen

Heimatsendungen, zum Beispiel über den Rohrschnitt am Neusiedler See, die Fischzucht und die Tierzucht in Österreich, über Wildschweine, heimische Schlangen und Bienenzucht, die Vogelwelt am Neusiedler See und die Obstblüte im Lavanttal. Die Naturwissenschaften weisen auf österreichische Bodenschätze hin, auf

Österreichs Heilquellen und Kohlenlager, sie bringen Reportagen aus österreichischen Industriewerken, aus dem Klagenfurter Fernheizkraftwerk, der Wetterstation auf dem Sonnblick, aus einer optischen Anstalt, einer Schwefelsäure fabrik, einer Essigfabrik und einer Hutfabrik.

Zwei Sendereihen für katholische und eine für evangelische Religion unterstützen den Unterricht des Religionslehrers.

Für die Schulabgänger ist eine Sendereihe für Berufsberatung bestimmt, die drei Sendungen für die Maturanten bringt, dann für das hauswirtschaftliche Schulwesen, für Berufe mit Kundenverkehr, für Fremdenverkehr, für Berufe zur Pflege und Betreuung der Mitmenschen und für das modeschaffende Frauengewerbe.

Das Jahresprogramm wird allen Schulen Österreichs schon vor Beginn des Schuljahrs zugesendet, ferner erhalten sie auf Verlangen monatlich das Schul funkheft, das für jede Sendung eine Einführung mit wertvollen Hinweisen für die Vorbereitung der Schüler bringt Dieses Heft enthält auch die vollständigen Texte der Fremdsprachsendungen, die dem Lehrer nicht nur die Vorbereitung auf die Sendung ermöglichen, sondern auch die noch wichtigere Auswertung nachher.

So hat die Ravag in steter Zusammenarbeit mit den Fachleuten der Schule in ganz Österreich ein Werk geschaffen, das für Lehrer und Schüler gleich wertvoll ist und aus dem Leben der Schule nicht mehr weggedacht werden kann.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung