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Katholische Universitäten in Amerika

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In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es heute rund zweihundert Colleges und Universitäten, die von der Hierarchie der katholischen Kirche oder von katholischen Orden geleitet werden. Von den eineinhalb Millionen Studenten, die vor Kriegsausbruch die hohen Schulen der nordamerikanischen Union bevölkerten, besuchte etwa ein Zehntel die katholischen Colleges und Universitäten. Damit haben diese in den Vereinigten Staaten eine achtunggebietende Stellung erlangt, mit der sie die Kaholiken manches vorwiegend katholischen Landes überflügelten. Dieses Wachstum war jedoch nur unter den eigenartigen amerikanischen Verhältnissen möglich. Es gibt hierzulande keine einheitliche, bundesstaatliche Regelung des,.Hochschulwesens, und die meisten Einzelstaaten überlassen die Leitung und Finanzierung des akademischen Bildungswesens ausschließlich den Privaten. Zu letzteren gehören aber nach amerikanischer Rechtsäuffassung auch die religiösen Gemeinschaften. Diesen ist die Gründung und Unterhaltung nicht nur vieler tausender Elementar- und Mittelschulen, sondern auch von Bildungsstätten der höchsten Stufe zu verdanken. Mit dem wachsenden Zustrom von Einwanderern aus katholischen Ländern während des neunzehnten Jahrhunderts, gewann auch' die katholische Kirche einen breiteren Raum im amerikanischen Unterrichtswesen. Sie stand in vorderster Linie, als es galt, die Überlieferung der hohen Schulen Europas in die junge amerikanische Zivilisation zu verpflanzen. . .

Das Hochschulwesen der Vereinigten Staaten entwickelte sich aus dem englischen und hat von ihm die Einriditung des College übernommen, das auf halber Stufe zwischen einer Mittelschule des europäischen Festlandes (Gymnasium, Realschule, Lyzeum und dergleichen) und einer Universität steht. Das amerikanische College hat vier Jahrgänge, entsprechend den zwei obersten Klassen einer Mittelschule und den ersten vier Semestern einer Hochschule in Österreich. Die Colleges sind aber mit den Universitäten organisatorisch eng verbunden. Mit wenigen Ausnahmen haben sich die amerikanischen Universitäten aus einem College entwickelt; sie umfassen auch heute noch regelmäßig ein College, das als „under-graduate“ bezeichnet wird, zum Unterschied von der „graduate school“ (..school“ bedeutet hier Fakultät). Die graduate school ist der Pflege der Geistes- und Naturwissenschaften gewidmet, wie sie in Österreich an den philosophischen und — im Gebiete der Staatswissenschaften — an den juristischen Fakultäten gelehrt werden. Viele amerikanische Universitäten haben jedoch eine besondere graduate school für Sozialwissenschaften. Daneben gibt es die sogenannten' „professional schools“ für das Studium des Rechts, der Medizin, Zahnheilkunde und der technischen Wissenschaften, an einer Anzahl von Universitäten auch theologische Fakultäten. Nur ein Student, der ein undergraduate College erfolgreich beendet hat, wird zum Studium an einer graduate school oder gleichwertigen professional school zugelassen: die letzteren allein stehen daher auf gleicher Höne mit europäischen! Universitäten. In den Vereinigten Staaten sind die aus -dem Mittelalter stammenden jakademischen Würden des „Bachelor“ (bachalaureus) und „Master“ (magi-i ster), die in Mitteleuropa im allgemeinen aus der Übung gekommen sind, beibehalten worden. Der Bachelor-Grad wird am Ende des College-Studiums verliehen, während die Würde eines Masters, mitunter auch die eines ..Licentiate“, sowie die eines Doktors nur an graduate und gleichwertigen schools erworben werden kann. Die Freiheit des amerikanischen Hochschulwesens von staatlicher Regelung bringt allerdings nicht nur eine große Verschiedenheit in der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Anstalten mit sich; nicht wenige Undergraduate-Colleges führen den Namen „University“, ohne Gelegenheit zu echtem Universitätsstudium und zur Erlangung der höheren akademischen Grade zu bieten. Andererseits gibt es Colleges, die den Studienbetrieb in dem einen oder anderen Wissenszweig auf - höherer Stufe weiterführen und außer dem Bachelor- noch den Master-Grad verleihen.

Trotz dieser für den Ausländer verwirrenden Vielfalt gibt es weithin beobachtete Maßstäbe. Während die Staaten sich auf die Erteilung kurzer und allgemein gehaltener „charters“ (Privilegienbriefe) beschränken, mit denen sie neugegründeten Colleges oder Universitäten Lehrberechtigung erteilen, gibt es eine Zahl allgemeines Ansehen genießender „accrediting agencies“, die Verzeichnisse von ihnen anerkannter

Hochschulen fuhren. Durch eine derartige Beglaubigung erhält eine Unterrichtsanstalt eine Art öffentlichkeitsrecht; die Beglaubigung erfolgt aber nur, wenn gewisse Mindestbedingungen hinsichtlich des Lehrkörpers, des Studienplanes und der materiellen Einrichtungen erfüllt sind. Accrediting agencies sind zunächst die obersten Unterrichtsbehörden der Staaten selbst, welche die Colleges bezeichnen, deren Absolventen als Lehrer in den mittleren und niederen staatlichen Schulen zugelassen werden.* dann maßgebliche Vereinigungen von Colleges, im besonderen die Association of American Universities, ferner berufliche Verbände wie die American Bar Association (Rechtsanwaltsvereinigung), American Me-dical Association und andere. Endlich setzen die kirchlichen Gemeinschaften „Standards“ für ihre auch Laienstudenten zugänglichen Unterrichtsanstalten fest, so die National Catholic Weifare Conference, die zentrale Verwaltungsstelle der amerikanischen Katholikenorganisation in den Vereinigten Staaten.

Das ierste College auf dem Boden der Union,! Harvard College, das später als Harvard University Weltruf erlangte, wurde im Jahre 1636 in Cambridge, Massachussets; gegründet. Das älteste katholische College war Georgetown College (1789), die'spätere Georgetown University der Gesellschaft Jesu in der Bundeshauptstadt Washington. Aber erst im Jahr 1860 wurde von der Yale University (im Staat Connecticut) das erste Doktorat der Philosophie in den Vereinigten Staaten verliehen. Die erste amerikanische Universität, die diese Bezeichnung in dem überlieferten Sinn verdiente, war die Johns Hopkins University in Baltimore. Sie wurde

1876 nach deutschem Vorbild ^e;;rü det. Ihr folgte 1887 Clark University (im Stait Massachussets) und als dritte im Jahr 1889 die Catholic University of America in der Hauptstadt Washington. Die Catholic University of America wurde damit die Bahnbrecherin für die Entwicklung wahren Universitätsstudiums unter den amerikanischen Katholiken. Ihr folgte später eine Reihe anderer angesehener katholischer Hochschulen.

Die Gründung einer katholischen Universität bildete seit dem Jahr 1866 Gegenstand der Beratungen der amerikanischen Bischöfe. Im Jahr 1887 erhielt Kardinal Gibbons, der als Fürsprecher dieses Unternehmens nach Rom gereist war, hiefür die förmliche Bewilligung Papst Leo XIII. Zunächst wurde eine theologische Fakultät errichtet, der sich bald die für Philosophie, Naturwissenschaften und Literatur anschloß. Während der folgenden Jahrzehnte wurden weitere „schools“ für die Gebiete der Rechtis-, der Staats- und Sozialwissenschaften sowie für Ingenieurwissenschaften und Architektur, ferner ein undergraduate College eingerichtet. Im gegenwertigen Wintersemester sind an der Katholischen Universität Amerikas 3700 Studenten inskribiert. Die Zahl der Undergraduate-Stu-denten ist derzeit infolge des Zustromes von Heimkehrern aus der bewaffneten Macht zum College und zur Ingenieur- und Architektenschule gegenüber der Vorkriegszeit unverhältnismäßig angeschwollen. Immerhin zahlen ungefähr 50 Prozent der Inskribierten zu den „graduate“ Studenten. Etwa die

Hälfte aller Hörer entfälk auch auf Priester und Ordensmitglieder beiderlei Geschlechts, vielfach beurlaubte Lehrer an undergraduate Colleges. Die Catholic University of America ist eine päpstliche Universität, die der Hl. Kongregation für Seminare und Universitäten untersteht. Sie

' wird von den amerikanischen Bischöfen durch ein „Board of Trustees“, den Kanzler, den Rektor und den akademischen Senat verwaltet. Von den zwei Millionen Dollar, die die Universität im vergangenen Jahr an Einkünften auszuweisen, hatte,- stammten 800.000 Dollar aus der alljährlich für diesen Zweck in allen Diözesen der Vereinigten Staaten veranstalteten Kirchensammlung. Von den übrigen zwölf katholischen Universitäten, die nach -dem letzten Handbuch der katholischen Colleges und Universitäten' wenigstens in einer Fakultät den Studiengang bis zur Verleihung der Doktorwürde führen, gehören acht der Gesellschaft Jesu. Einige von ihnen stehen an wissenschaftlichem Ansehen der Catholic University of America nicht nach. Die schon

4 erwähnte Georgetown University und ebenso dieLoyolaUniversity in Chikago besitzen juristische, philosophische und medizinische Fakultäten. Unter anderen führenden Jesuitenuniversitäten seien Saint Louis University (im Staat Missouri), Fordham University in New York, Marqoette University in Milwaukec (Staat Wisconsin) erwähnt. Drei Universitäten mit graduate schools werden von den Lazaristen geleitet. Einen ausgezeichneten wissenschaftlichen Ruf besitzt schließlich die University of Notre Dame (im Staat Indiana), die der Kongregation des Hl. Kreuze gehört.

Wenn auch das Wachstum der katholischen

Hochschulen von dem System amerikanischer Unterrxhtsfreiheit begünstigt wurde, so steht ihnen andererseits nur ein Bruchteil jener privaten Mittel zur Verfügung, die andere amerikanische Universitäten aus den Widmungen der Rockefeller,' Carnegie und sonstiger Multimillionäre schöpfen. Die Gedenktafeln und Jahrbücher katholischer Universitäten und Colleges in Amerika geben Zugnis von großzügigen Spenden und Stiftungen wohlhabender Katholiken, doch das katholische Volk der Vereinigten Staaten zählt keinen der Besitzer der bekannten Riesenvermögen zu den Seinen. Trotz dieses Hemmnisses halten die katholischen Hochschulen mit den Bedürfnissen der 24 Millionen amerikanischen Katholiken vollauf Schritt. Durch Erziehung einer nach festen christlichen Grundsätzen gerichteten Schicht von Gebildeten heben sie ständig den katholischen Einfluß im Gesamtleben der Nation. In einer Zeit seichter Nützlichkeitsphi'oso-phie und überwucherndem Mater'alismus sind sie Bollwerke der ewigen Wahrheit.

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