Maske und Schule - © Foto: APA / dpa / Sebastian Gollnow

"Long Covid" im Schulsystem

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Welche Folgen hat die Pandemie auf das Bildungswesen? Ein Lehrerbericht über die vergrößerte Kluft durch lizenziertes Schwänzen, Bewegungmangel, Ängste – und Freude an Kleinigkeiten.

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Welche Folgen hat die Pandemie auf das Bildungswesen? Ein Lehrerbericht über die vergrößerte Kluft durch lizenziertes Schwänzen, Bewegungmangel, Ängste – und Freude an Kleinigkeiten.

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Nicht ganz zwei Jahre dauert die Pandemie bei uns schon an – und einiges hat sich geändert, in der Bundesregierung mehr als in der Schule. Erschöpft bin ich noch immer. In einem kommunikationsbasierten Fach wie Religion fünfzig Minuten mit FFP2-Maske zu unterrichten – und das fünf oder sechs Stunden am Tag und seit Oktober –, das geht an die Substanz. Spätestens am Donnerstag oder am Freitag macht sich der Sauerstoffmangel bemerkbar. Da kann es vorkommen, dass man sich als dreifach Geimpfter, regelmäßig Testender und sämtliche Sicherheitsauflagen Übererfüllender fragt, ob man die Verantwortung über seinen Aerosolausstoß nach zwei Jahren Pandemie nicht vielleicht auch selber übernehmen könnte. Aber das sind Fragen nach der Befindlichkeit eines relativ Privilegierten. Zugegebenermaßen gibt es gravierendere Phänomene gesellschaftlichen und bildungspolitischen „Long Covids“.

„Erlaubnis zum Fernbleiben“

Es wird gut gemeint – und das letzte Mittel der Verhinderung einer Schulschließung – gewesen sein, dass die Bundesregierung im November 2021 Schülerinnen und Schülern erlaubte, ohne ärztliches Attest dem Unterricht fernzubleiben. Vom ersten Tag an hat sich gezeigt, dass die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit in den meisten Fällen eher vom Grad des elterlichen Bildungsengagements abhängt als von der Gefährdung durch eine mögliche Infektion. Kommende Woche kehrt die Präsenzpflicht nun endlich wieder zurück, wie Bildungsminister Martin Polaschek erklärte. Doch mit jedem Tag, den diese Lizenz zum Schuleschwänzen in Kraft war, wurde die oft beschworene Kluft im Bildungssystem größer. (Eine Kluft, die entgegen oftmaliger Behauptung eben nicht im klassischen Sinne ererbt ist. Man erbt in der Regel, ohne sich dafür anstrengen zu müssen. Wenn manche Kinder tendenziell stärker vom Bildungsangebot profitieren, ist das meist auf Anstrengungen der jeweiligen Schülerinnen und Schüler selbst, aber auch ihrer Eltern zurückzuführen – und nicht auf Geld für Nachhilfeunterricht.) Wie missbräuchlich die „Erlaubnis zum Fernbleiben vom Unterricht“ mitunter in Anspruch genommen wurde, hat sich besonders deutlich in den Tagen vor den Semesterferien gezeigt, als zahlreiche Schüler(innen) zuhause blieben, um nicht durch eine Infektion oder Quarantäne den Skiurlaub aufs Spiel zu setzen.

Immer noch werden Studien über psychische Folgeschäden der Pandemie für Kinder und Jugendlichen veröffentlicht. Und immer noch folgen ministerielle Ankündigungen. Auffällig unterbelichtet scheint dabei – auch immer noch – eine differenzierte Analyse der Schäden und ihrer Ursachen, von etwaigen Gegenmaßnahmen ganz zu schweigen. Ja, Jugendliche haben aufgrund der vielen Zeit vor dem Bildschirm Haltungsschäden und verbringen viel zu wenig Zeit an der analogen frischen Luft. Nein, mehr als eine (!) Stunde Sportunterricht pro Woche sieht das Bildungssystem im Schuljahr vor der BHS-Matura trotzdem nicht vor.

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