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Eine Fertighaus-Mustersiedlung

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Auf dem Markt für Fertighäuser sind Muster erwünscht, damit in- und ausländische Interessenten Häuser aus vorfabrizierten Elementen in allen Einzelheiten sehen und beurteilen können. Der Wunsch nach einer solchen Musterschau war also der erste Anlaß zu einer Aktion „Das österreichische Fertighaus“, die von der amerikanischen Wirtschaftsmission angeregt, durch ihren Hausbauspezialisten, William K. W i t- tausch, besonders unterstützt und vom Öster-

reichischen Produktivitätszentrum in den Jahren 1953 54 durchgeführt wurde. Dabei konnten amerikanische Erfahrungen, zum Beispiel vom Bau des sogenannten „TRADE SECRET HOUSE“ verwertet werden, dessen Grundriß als „Haus 15“ möglichst unverändert verwirklicht werden sollte. Gleichzeitig sollte auch der Heimatmarkt für Holzhäuser entwickelt, ein Beitrag zur Lösung der Wohnungsfrage in Österreich geleistet und der Eigenheimbewegung, den Siedlungsgenossenschaften und Bausparkassen neue Möglichkeiten gezeigt werden.

Die Architekten Professor Dr. Roland Rai ner, Wien-Hannover, und Dipl.-Ing. Arch. Carl A u b ö c k, Wien, hatten ein System vorfabrizierter Elemente zur Herstellung vollständig eingerichteter uiyl maschinell ausgestatteter Häuser vorzuschlägen. Um der Öffentlichkeit die verschiedenen Möglichkeiten der Grundrißbildung, der Konstruktion, der äußeren und inneren Gestaltung, der Möblierung, aber auch des Bebauungsplanes und der Erschließung zu zeigen, war auf einem von der Stadt Wien beigestellten Gelände neben der Wiener Werkbundsiedlung 1931 eine Gruppe von fünfzehn Häusern zu planen und deren Ausführung und Möblierung bis zur öffentlichen Austeilung im Herbst 1954 zu leiten. Für Details der Wasserinstallation und Heizung wurden Herr Senatsrat der Stadt Wien Dr. T w a r o c h, für die Gartengestaltung Herr Gartenarchitekt Ing. Karl Paul F i 1 i p s k y herangezogen.

Die Außenwandelemente und Dachkonstruktion eines Hauses waren durchschnittlich in zwei Tagen aufgestellt, am Abend des dritten Tages war das Haus unter Dach, wenige Tage später verglast, so daß mit dem Innenausbau begonnen werden konnte. Trotz schwieriger Geländeverhältnisse und außergewöhnlich schlechten Wetters konnte die Ausstellung in der Veitinger- gasse vier Monate nach Beginn der Erdarbeiten eröffnet werden.

Durch die in der Veitingergasse ausgestellten Fertighäuser wird nicht nur eine Produktionsfrage aufgerollt. Vielmehr kam es besonders den Architekten darauf an, die in Wien nicht häufige Gelegenheit zum Experiment nach allen Richtungen hin zu nutzen, so daß eine Reihe grundsätzlicher Fragen gleichzeitig zur Debatte gestellt ist:

• Das rein ebenerdige Einfamilienhaus mit kleinem, geschütztem Wohngarten als zeitgemäße Erneuerung ursprünglichster städtischer Hausform mit größter Bequemlichkeit und Naturverbundenheit.

• Grundrisse, die aufs sparsamste größte Bequemlichkeit bieten, mit dominierendem Haupt- wohnraum, Symbol des Familienlebens, um den sich mehrere kleine Schlafräume und zweckmäßig organisierte Wirtschaftsräume gruppieren.

• Ausstattung der Wohnung mit Haushaltmaschinen, Einbauschränken, Abstellraum, arbeitsersparender Zentralheizung, waschbaren Anstrichen usw.

• Gestaltung unter Verzicht auf jede Repräsentation nach außen mit den der Vorfabrikation entsprechenden Mitteln durch Materialwirkung, Auflockerung durch leuchtende Grundfarben, optische Erweiterung des Wohnraumes durch Verglasung einer ganzen Längswand, Differenzierung der Räume, Kontraste zwischen kleinen Schlafräumen, großen Wohnräumen und räumlich gestalteten Freiplätzen.

• Ein städtebauliches Konzept, das Straßenverkehr möglichst streng vom Fußgängerverkehr der Wohnwege trennt und doch trotz strenger Ordnung der Hauskörper nach Himmelsrichtun-, gen abwechslungsreiche Raumbildung erreicht.

• Rechtliche Trennung von Boden und Bauwerk. die den Boden im Eigentum der Gemeinschaft beläßt, die ihn erschließt und im „Baurecht“ dem einzelnen zur Verfügung stellt, der sein Wohnhaus als Eigentum darauf errichtet.

• Hausbau unter Verwendung moderner Fertigungsmethoden in der Fabrik, um Handarbeit, Kosten und Bauzeit zu sparen.

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