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Kultur in der Böhlerstadt

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Das Kulturamt von Kapfenberg hielt auch heuer wieder vom 3. bis 5. Juli „Tage österreichischer Kultur“ ab. Der Umstand, daß 80 Prozent der Bevölkerung von Kapfenberg in dem Stahlwerk beschäftigt sind, ermöglichte eine weitgehende Vereinheitlichung der Bestrebungen; denn die relativ nicht geringen Mittel, die der Gemeinde aus den durch das Werk erstellten Steuern zufließen, werden von Stadtvätern verwaltet, die gleichfalls zum allergrößten Teil aus der Belegschaft des Werkes, aus Arbeitern und Funktionären, hervorgehen. Und nicht zuletzt befinden sich unter diesen Funktionären eine Reihe von Männern, denen neben einem wirklichkeitsnahen sozialen Streben auch ein seltenes Verstehen der kulturellen Gegenwartsaufgaben eignet, an ihrer Spitze der junge, allem Geistigen höchst aufgeschlossene Direktor Dr. Alfred M i k e s c h, der Leiter des Kulturamtes der Stadtgemeinde Kapfenberg. Durch diese Konstellation der Umstände entstand ein neues Mäzenatentum, das gerade durch die Veranstaltung dieser Kulturtage in einem großzügigen Preisausschreiben für Musik, Literatur und Architektur jungen österreichischen Künstlern ungewöhnliche Chancen eröffnete. Darüber hinaus gelang es in einer Fachtagung: „Kunstschaffen in der Gegenwart“ Künstler und Interessierte zu einem Gespräch zusammenzubringen, bei dem sie sich und ihre Ansichten persönlich bekannt machen konnten.

In der Ausstellung: „Bildende Kunst“ wurden die Ergebnisse eines Preisausschreibens für eine Jugendherberge mit einer Freilichtbühne und einer Gedächtnisstätte für die Toten der vergangenen Zeiten in außerordentlich instruktiver Weise dargeboten. Die drei ersten Preise (der erste wurde von einer Gruppe junger Architekten aus der Holzmeisterschule: Holzbauer, Kurren t, Leithner, Spalt) errungen, sowie einige besonders gut gelungene Teilentwürfe nicht prämiierter Künstler boten, zusammen mit einigen dazugehörigen Plastiken und Bildentwürfen, geradezu eine Einführung in den Stand und die Intentionen der modernen bildenden Kunst. Deutlich konnte man erkennen, daß deshalb die Architektur zweifellos an der Spitze der heutigen Kunst marschiert, weil es ihr als ersten gelang, bei einem Minimum an Verlust technischer Möglichkeiten ein Maximum künstlerischen Ausdrucks zu erreichen. Die Architektur hat vor allen andern Künsten das Moment sich zu eigen gemacht, das das Allesbestimmende unserer Zeit geworden ist: die Technik. Darum sind ihre Leistungen so überzeugend und finden bei allen, die nicht engen Geistes nur dem Konservativen anhängen, Zustimmung. Kapfenberg vermag übrigens bereits eine ganze Reihe sehr beachtenswerter moderner Bauten zu zeigen: zwei moderne Schulen (eine ist die modernste Oesterreichs, eine dritte wird im

kommenden Jahr begonnen), eine Reihe von ausgezeichneten Arbeitersiedlungshäusern und nicht zuletzt das neue Hallen- und Freibad, die technisch und künstlerisch eindruckvollste Leistung. All dies sind Ausführungen von Entwürfen des Arch. Dr. Ing. F. Schuster, der erst 1949 an der Grazer Technik unter den Architektur-Professoren Lorenz und Z o 11 e r seine Studien abschloß und seither, zunächst im Bauamt von Arch. Ing. H. Walch (Kapfenberg), und jetzt als freier Architekt arbeitete.

Den Abschluß der Kulturtage bildete ein Orchesterkonzert, ausgeführt durch das Grazer Philharmonische Orchester, in dem der erste Preis für Musik zur Aufführung gebracht wurde. Eingerahmt waren die drei modernen Werke (e waren „Eine pastorale Abendmusik“ von Uray, Max Haager: Konzert Nr. 2 für Streichorchester op. 19 und Erich Opitz: Variationen und Fuge für Bläser) von einer Haydn-Ouvertüre (D-Dur) und einer selten zu hörenden Mozart-Symphonie (Nr. 33 in B-Dur — KV 319). Das Ereignis des Abends war ohne Zweifel für alle das Konzert für Streichorchester von Max Haager. In ihm konnte man einen kompromißlos modernen Musiker kennen lernen, der mit durchaus bescheidenen Mitteln und in Formen, die größtenteils aus ältester Tradition stammten (Fuge in strengstem Kontrapunkt) stellenweise geradezu monumentalen seelischen Ausdruck erzielte. Der spontane Beifall nach dem zweiten langsamen Satz, der ebenso wie die beiden andern aus einem geistvoll geführten Dialog von Geige, Bratsche und Cello mit dem übrigen Orchester bestand, bewies, daß moderne Musik, aus der Partitur vielleicht als Konstruktion anzusprechen, unter der Leitung eines verstehenden Dirigenten doch zu unmittelbaren Leben gelangen kann. Der Dirigent der Aufführung, Dipl. KM. Max H e i d e r, der junge Leiter der von 300 Schülern besuchten städtischen Musikschule von Kapfenberg, hatte dieses mutige, den Ernst des Werkes durchfühlende Herz mitgebracht und es dadurch, trotz großer technischer Schwierigkeiten zu einem überzeugenden Erfolg gebracht.

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