6792848-1970_47_05.jpg
Digital In Arbeit

„Häuselpest“ der Karawanken

Werbung
Werbung
Werbung

„Erstmals seit 25 Jahren wird in Kärnten Schönheit wieder verordnet“ — dieser Ausspruch stammt von dem jungen Klagenfurter Architekten Dipl.-Ing. Dieter Jantsch, der gemeinsam mit seinen Kollegen Eberhard Kraiger, Karl Murero, Günter Petutschnig, Wolfgang Rausch und Helmut Stramitzer gegen die Kärntner Bauordnung — auf die das einleitende Zitat bezogen ist — zu Felde zieht. Daß die jungen Architekten mit ihrer massiven Kritik nicht unrecht haben, davon kann sich jeder überzeugen, der sich das „Disneyland ante portas“ nördlich der Karawanken genauer ansieht. Es gibt kaum mehr ein Gebiet in Kärnten, das nicht von 08/15-Siedlungen oder kitschigen Neubauten „nach Bauernart“ (man erinnert sich eines Zitats aus einer HJ-Fibel: „Das Dach verbindet mit dem Boden und vermag den Charakter des Heimes zu geben“) verunstaltet wird. Dafür verantwortlich sind die Gesetzgeber des Landes (Wahlslogan der SP-Mehr-heit: „Für ein modernes Kärnten“) und deren verlängerter Arm, die Vollzugsorgane, biedere Gemeindeväter, die darauf zu achten haben, daß „die Schönheit des Orts- und Landschaftsbildes erhalten bleibe“. Es hat sich gezeigt: Was für gemeindeväterliche Biedermänner, deren Fachwissen in puncto Architektur und Bauwesen gleich Null ist, „Schönheit“ bedeutet, ebnet den Weg, um das Ferienland Kärnten mit seinen echten Naturschönheiten mit der „Häuselpest“ zu verseuchen. Es mangelt — so hat es sich herausgestellt — den Vollzugs- und Aufsichtsorganen der Kärntner Bauordnung an entsprechender Information. Dia oben zitierten Architekten wollen Information bieten und eine Diskussion entfachen. Sie wollen — und dabei bleibt es meist. Die Adressaten haben taube Ohren, oder versuchen, Vortragsreihen von Architekten, wie „Zersiedeltes Kärnten“, mit der man möglichst viele Orte in Kärnten erreichen will, rechtzeitig abzuwürgen. So etwa in Österreichs Karnevalsmetropole Villach, wo man das ganze Jahr über viel für Narretei übrig zu haben scheint: Die Stadtgemeinde verwehrte den Architekten den Vortragssaal. In Klagenfurt kam es dennoch zur „Zersiedelltes-Kärnten“-Diskussion. Die Kosten, die daraus erwuchsen, mußten die Vortragenden aus der eigenen Tasche bezahlen. Man zeigt in dieser Reihe, wie das Landschaftsbild zerstört wird, Ortsgrenzen verschwinden und wie man den Erholungsraum ständig einengt. Auch wies man auf die Folgen hin.

Etwa auf die hohen Aufschließungskosten, von denen die öffentliche Hand stark belastet wird. Und noch etwas Wesentliches: Attacken gegen die „Heimatschützer“, die nach Meinung der Architekten durch falsch verstandene Wahrung traditioneller StüLarten wirklich modernes Bauen verhindern. („Kärnten hat überhaupt keinen einheitlichen Landesstil, sondern sieben überlieferte Hausformen. Falscher Heimatschutz hat dazu beigetragen, daß Kärnten mit Ausnahme technischer Bauten architektonisch nichts Bemerkenswertes aufzuweisen hat.“)

Man bot aber auch Lösungen an: Konzentriertes, verdichtetes Bauen, etwa durch Reihenhäuser, Hangsied-lunigen, Teppichsiedlungen und Punkthäuser. Eine weitere Forde-runig bezog sich darauf, daß zeitgemäße Bebauungspläne — die ohnehin kaum vorhanden sind — ausnahmslos eingehalten werden sollten.

Und was haben die Politiker zu sagen?

Landeshauptmannstellvertreter Diplomkaufmann Dr. Weißmann (ÖVP) fühlt sich veranlaßt, auf die „Schwierigkeiten, moderne Architekturformen harmonisch in die Landschaft zu stellen“, hinzuweisen. Seither ist einige Zeit verstrichen. Es ist nichts geschehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung