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Besser als der Gru-Oberst

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„CHINESISCHE KULTURREVOLUTION AUS DER NÄHE —Augenzeugenbericht eines sowjetischen Beobachters.“ Von A. S chelo chow-z e w. DVA. 320 Seiten. DM 24.—.

Eigentlich ist es schon wenig modern, jetzt noch über die chinesische Kulturrevolution zu sprechen, die bereits Anfang 1969 ein Ende gefunden hat und somit überholt ist. Aber das Buch von A. Schelochow-zew hat insofern eine Bedeutung, weil es sich um eine deutliche propagandistische Schrift handelt, die er sicher unter der Instruktion gewisser Stellen — wie zum Beispiel das sowjetische „psy war depart-ment“ — geschrieben hat und die auch noch von der sowjetischen Presseagentur Nowosti ausnahmsweise und öffentlich einem westlichen Verlag angeboten wurde. Wie allgemein bekannt, ist jede sowjetische Presseagentur zugleich eine „Agentur“ — im buchstäblichen Sinne —, und zwar nicht nur mit den kulturellen Aufgaben... Und jeder sowjetische Student, der in China oder sonstwo studiert, spielt gleichzeitig auch die Rolle eines Nachrichtensammlers, weshalb Schelochowzew an der Pekinger Universität oft auf Widerstand seiner chinesischen Lehrer stieß. Schelochowzew versteht etwas von der chinesischen Kulturgeschichte, beherrscht die Sprache und hat auch in China ein paar Jahre gelebt. Es war ein großer Vorteil für seinen Dienst.

Er kennt China selbstverständlich viel besser als diejenigen Chinaexperten, die ihre Informationen und Kenntnisse über das Reich der Mitte unter Mao nur durch Ubersetzungen und Gerede der Dolmetscher erwerben müssen.

Im Mai 1969 ging ein GRU-Oberst namens B. N. Zanegin heimlich in die USA, wo er als „Sinkiang-Experte“ eine Reihe Vorträge über den Todfeind Nr. 1 hielt und Kontakte zu den Gewährsleuten aus Taipeh aufnahm... Sein Auftritt war viel zu auffällig. Im Vergleich zu Oberst Zanegin hat Student Schelochowzew besseren Erfolg, da ein Buch über die Volksrepublik China zu schreiben noch immer zu einem lohnenden politischen Geschäft für die Sowjets zählt.

In vielen Punkten griff Schelochowzew das China Maos heftig an. Er versuchte, das Hauptgewicht auf die ideologische Waage zu setzen, was man völlig versteht. Da aber der ideologische Zwist zwischen den beiden Genossen, die einst einander Huld und Treue schworen, eine reine „Familienangelegenheit“ des Marxismus-Leninismus ist, soll man sich im Westen nicht darüber den Kopf zerbrechen. Wenn Schelochowzew vom „nationalistischen Größenwahn“ Chinas spricht, dann hat er absichtlich verschwiegen, daß Rußland ab 1689 bis zu den Perioden der „neuen Zaren“ immense Staatsgebiete Chinas gestohlen hat.

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