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DAS SACHSENMAL

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Ehe wir den wehmütig-erfreulichen Bericht beginnen, der uns heute am Herzen liegt, wollen wir einen örtlichen Hinweis geben, damit unsere Leser nicht nur lesen, sondern bei geeigneter Gelegenheit auch mit eigenen Augen sehen, wovon hier die Rede sein soll.

Wer durch das dritte Tor den ungeheuren, einem riesigen Parke ähnlichen Wiener Zentralfrdedhof betreten hat, findet vor sich eine breite, schnurgerade Allee, die bis zur dritten Aufbahrungshalle führt. Wir wünschen aber den anderen Weg zu gehen, der linker Hand parallel zu dieser Allee in den weiten Bereich des Gräberfeldes eindringt. Vom Tor also nehmen wir den ersten kurzen Pfad nach links, dann folgt an der Mauer, die den katholischen Friedhof vom evangelischen trennt, wieder eine breite gerade Straße, wie gesagt, parallel zu der eben erwähnten Allee.

Und kaum haben wir den ersten Schritt in dieser an die Mauer grenzende Straße gemacht, sehen wir schon, zuerst noch von fern, vor einer Weggabelung einen freistehenden Vierkant, dunkel, mit weithin leuchtendem goldenem Schmuck. Es ist das Sachsendenkmal, das Sachsenmal, mit seiner amtlichen Bezeichnung das „Grabmal für die sächsischen Soldaten“.

Hier nun beginnt für uns in der Rückschau die Geschichte, die jetzt erzählt werden soll.

Der Weg zu den Ruhestätten meiner geliebten Toten führt an dieser Stelle vorüber. Mein Blick streifte oftmals einen hohen Fliederstrauch, hinter dem sich hier ein abscheulich zerfallendes Grabmal verbarg. Als ich es näher betrachtete, erkannte ich den Rest der Inschrift: „Sachsens tapferen Söhnen. Das Vaterland. 1866“.

In dem Kriege von 1866, der um die Vorherrschaft Österreichs oder Preußens im deutschen Räume geführt wurde, standen auf Seite Österreichs die deutschen Mittelstaaten, unter ihnen Sachsen. Gefallene und in Wiener Spitälern dem Bundesministerium für Landesverteidigung vorstand. Ich sprach davon, daß jeder der jungen Männer, die hier nach einem allzu kurzen Leben bestattet wurden, einer Mutter Kind gewesen war. Ich betonte, daß sich Sachsen im Kriege von 1866 als Verbündeter zu Österreich bekannt hatte. Ich erinnerte daran, daß es zu den Aufgaben des österreichischen Bundesheeres zähle, christliche Pietät und soldatische Überlieferung zu pflegen. Und ich wies auch auf den peinlichen Gegensatz hin, der zwischen diesem vergessenen Grabe und anderen in nächster Nähe liegenden, monumental ausgestatteten Totenmalen bestand.

Meine Bitte, das Sachsenmal wieder instand zu setzen, fand Gehör. Der Minister, sein Ministerium und die österreichische Offiziersgesellschaft halfen mit verständnisvoller Tatkraft.

Heute und schon seit einigen Jahren ist das vorbildlich erneuerte Sachsenmal eine weihevolle Zierde des Friedhofes. Oskar Regele schreibt darüber in seinem Werk „Feldzeugmeister Benedek“: „Die nie verwelkende Treue Benedeks zu seinen sächsischen Waffenbrüdern fand 1959 ein Echo, als auf Anregung des Schriftstellers Friedrich Wallisch der Landesverteidigungsminister Graf das verfallen gewesene Sachsenmal im Wiener Zentralfriedhof in würdiger Form wiederherstellen ließ...“

An Stelle der mehrfarbigen Bronze von früher wurde einheitlich Goldbronze verwendet. Sie hebt sich prachtvoll von dem tiefdunklen Braun des Vierkants ab. Oben liegen als Sinnbilder des ausgefochtenen Kampfes Helm, Trompete, Säbel, Karabiner und Kugeln, von Lorbeer geschmückt. Die Vorderseite trägt das Wappen des Königreiches Sachsen, darunter die vorhin erwähnte Inschrift: „Sachsens tapferen Söhnen. Das Vaterland. 1866“. An beiden Seitenfronten lesen wir je zehn Namen Gefallener, bei jedem die schlichte Bezeichnung „Soldat“. Die Rückseite zeigt unter der Inschrift „In den Feldhospitälern zu Wien erlagen ihren Wunden“ die Namen eines Pontoniers, eines Fahrers, zweier Soldaten und von fünf Jägern.

Feste doppelte Stufen liegen jetzt als Fundament rings um das Grabmal. Es wird flankiert von zwei prächtigen hohen Kandelabern, jeder trägt eine schöne Laterne. Der Fliederbusch, der nur den unerfreulichen Zweck hatte, das zerfallene Denkmal den Blicken der Vorübergehenden zu entziehen, wurde auf mein Ersuchen entfernt. Statt dessen entstand vor dem Male eine kleine wohlgepflegte Anlage mit Gras und Blumen.

Und nun, zum Schluß, berichte ich noch, was meine wehmütige Freude über das Gelingen aufs höchste gesteigert hat. Während die Besucher des Friedhofs früher achtlos vorbeigegangen sind, bildet das Sachsendenkmal, seitdem es in voller Schönheit dasteht, wohlgestaltet und wohlbetreut, eine Stätte pietätvoller Zuneigung der Menschen, die, um die Ruhestätten ihrer Verstorbenen aufzusuchen, hier des Weges kommen. In den Kandelabern brennen Kerzen. Auf den Stufen stehen reihenweise kleine Grablichter. Neben ihnen und vorne in dem Beet liegen Blumenspenden.

Das Sachsenmal ist wach geworden, es lebt, es zeugt von der liebreichen Gesinnung der vielen, die gleich mir daran denken, daß jeder, dessen Irdisches hier ruht, einer Mutter Kind gewesen ist.

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