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Das Vorspiel

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Der vierte der fünf vorgesehenen Bände von Hennings' kulturpolitischer Ablichtung der Abenddämmerung der österreichisch-ungarischen Monarchie und ihres Mythos gewordenen Herrschers trägt den anzüglichen Untertitel: „Ich ärgere mich immer, wenn ich Ihre Gedenkschriften lese“ — Worte Kaiser Franz Josephs zu dem Generalstabschef Feldmarschall Conrad. Blitzartig erhellen sie den Horizont und sein Wetterleuchten, das dem Untergang voranging. Hie der friedensliebende, vertrags-(Dreibund-)treue Kaiser und sein rechter Arm: Minister des Äußeren Graf Aehrental — hie der verbissene Reformer Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und sein Protektionskind Conrad v. Hötzendorf.

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Der vierte der fünf vorgesehenen Bände von Hennings' kulturpolitischer Ablichtung der Abenddämmerung der österreichisch-ungarischen Monarchie und ihres Mythos gewordenen Herrschers trägt den anzüglichen Untertitel: „Ich ärgere mich immer, wenn ich Ihre Gedenkschriften lese“ — Worte Kaiser Franz Josephs zu dem Generalstabschef Feldmarschall Conrad. Blitzartig erhellen sie den Horizont und sein Wetterleuchten, das dem Untergang voranging. Hie der friedensliebende, vertrags-(Dreibund-)treue Kaiser und sein rechter Arm: Minister des Äußeren Graf Aehrental — hie der verbissene Reformer Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und sein Protektionskind Conrad v. Hötzendorf.

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Blitzartig erhellt wird aber auch der Gegensatz von Politik, die das Unheil im Krieg sah, und Militär, das im Präventivkrieg gegen Italien und Serbien die letzte Möglichkeit sah, den enger und enger werdenden Kreis der Entente aufzusprengen — zwei unversöhnliche, obgleich das Gleiche anstrebende Haltungen. Doch war die Atmosphäre schon Jahre vor 1914 politisch, militärisch und sozial so aufgeladen, daß beide Richtungen nolens volens dem Untergang zustreben mußten. Trocken bemerkt Hennings folgerichtig zur Alternative des Präventivkrieges: „Auch der schönste Sieg hätte auf längere Sicht ins Verderben führen müssen.“

Hennings' Bücher folgen der künstlerischen Architektur des Triptychons. Rückt der erste Teil den Feldmarschall Conrad in den Vordergrund (der alte Kaiser ist, wenn auch bisweilen nur als Schatten, immer da: „solange er lebt!“), so steht im Mittelpunkt des zweiten Teiles der „Klaviermacher“ Ludwig Bösendorfer (1835 bis 1919), in gewissem Sinne eigentlich der „Bösendorfersaal“, ein akustisches Wunder für Kammermusik, ehemals die Reitschule des Fürsten Liechtenstein, damals Herrengasse 6, heute der zum Michaelerplatz zeigende Teil des Hochhauses. Über 40 Jahre lang, von 1872 bis 1913, wird dieser schmucklose, durch seine Holzverschalung aber wie eine alte Geige resonierende Saal zum Mittelpunkt kammermusikalischer und poetischer Darbietungen der Zelebritäten dieser Jahre. Bescheiden drückt sich dabei in den Hintergrund Ludwig Bösendorfer; ein Wiener Original, gutmütiger Brummbär, arbeitsbesessen die mächtige Konkurrenz (Streicher, Ehrbar, Schweighofer) „überflügelnd“, seinen Arbeitern ein früher demokratischer Brotgeber, was den Patrizier (übrigens: Stief-schwiegervater Girardis!) nicht hindert, 10 Jahre lang vom Kaiser den Kammertitel zu erbitten, zu erflehen, zu fordern. — Als der „Bösendorfersaal“ am 2. Mai 1913 (Stefan Zweig schreibt wehmütig darüber) das letzte Konzert mit dem Rosequartett beherbergt, hören manche schon das Knistern im Gebälk. Aber noch trägt es — solange er lebt... Mit Allegro con spiri' (intrigante) beginnt der dritte und letzte Teil des Buches: der Bau des Kriegsministeriums (heute Regierungsgebäudes) am Stubenring. Im anscheinend für Wien schon damals verbindlichen Zweikampf zwischen Baubürokratie und freier Architektenschaft bleibt wieder einmal Otto Wagner auf der Strecke. Dem ersteren Sieger verdanken wir den heutigen Steinbaukasten, auf den Vater Ra-detzky, damals von „Am Hof“ hiehergebracht, seither sinnend hinüberblickt. Als der Mammutbau im Mai 1913 vom Kriegsministerium und vom Generalstab bezogen wird, erbebt der letztere (1906—1911 und seit 1912 wieder unter Conrad) in seinen Grundfesten: der einstige Chef der Kundschafterabteilung, jetzt Generalstabschef des VIII. Korps in Prag, Oberst Alfred Redl, wird ' der Spionage überführt und zum Selbstmord gezwungen... Und das Unheil nimmt seinen Lauf. Auf dem neuen Kriegsministerium steht das unheilvolle Wort: Si vis pacem, para bellum. Horch: Schlägt es nicht schon zwölf? Das Spiel kann beginnen.

„SOLANGE ER LEBT.“ Bd. IV, Von Fred Hennings. Verlag Herold; Wien-München. 96 Seiten und 40 Tafeln. S 98.—.

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