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„RECHTEN, SPIELEN, BAUEN…”

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Noch zur Zeit der Erbauung des Palais Schwarzenberg kommt es im Jänner 1699 zum Frieden von Karlowitz, der den mit dem Entsatz von Wien begonnenen Kreuzzug wider die Osmanen beendete. Sechs Monate später stirbt der treue Begleiter der christlichen Heere, Pater Markus von Aviano, im Beisein des Kaiserpaares in einer Zelle des Kapuzinerklosters am Neuen Markt zu Wien. Es war, als hätte sich der Sinn seines Lebens mit der endgültigen Befreiung des Abendlandes vom türkischen Joch erfüllt. Zutiefst erschüttert und ehrlich verzweifelt küßte der Kaiser dem Verstorbenen immer wieder die Hände, die, der Überlieferung nach, tagelang nicht erkalten wollten. Der nun bald sechzigjährige Monarch wußte, was er verloren hatte. Nicht nur einen ihm treu ergebenen, gewiegten Diplomaten, dem er viel Wichtiges zu danken hatte — so zum Beispiel das Zustandekommen der heiligen Liga, mehr als einmal die Beschaffung der zur Fortsetzung des Türkenkrieges nötigen Geldmittel durch den Papst und die Kirche, die frühzeitige Wahl seines Sohnes Joseph zum römischen König und, als letzten und größten Liebesdienst, die Vermittlung von dessen Vermählung —, vor allem aber seinen väterlichen Freund und Gewissensberater.

Leopolds Unentschlossenheit und Energielosigkeit nahmen mit den Jahren in beängstigender Weise zu. So schreibt zum Beispiel der päpstliche Nuntius Buonvisi: „Dieser Fürst ist zu bedauern. Er ist nicht imstande, das auszuführen, was ihm sein gutes Herz eingibt. Seine schon von Natur aus schwächliche Körperbeschaffenheit wird ganz niedergedrückt durch die unzähligen Mühen und Sorgen, die ihm aus den Unordnungen an seinem Hof und bei seinen Heeren erwachsen… -Hier maßt sich der Adel zuviel Freiheiten an, zum Nachteil des Fürsten. Es bedarf einer ganzen Autorität, um denselben im Zaum zu halten. Denn die adeligen Damen haben alle Scheu verloren, da ihre Ehemänner jegliche Schändlichkeit dulden. In Wien ist noch nie Ordnung gewesen! Gebe Gott, daß die allzu große Milde des Kaisers ihn nicht in die Hölle stürze! Die Schmeichler bringen ihm ja bei, daß die Milde die vornehmste Tugend eines Regenten sei, selbst wenn diese der Gerechtigkeit zuwiderläuft. Ich hoffe, daß die Gerechtigkeit künftig besser gehandhabt werde, denn die zwei neuen Kanzler haben reine Hände. Die beiden letzten nahmen gern Geschenke an.” Tatsächlich war nach der Befreiung Wiens nicht nur die Baulust, sondern auch die Sinnenlust ins Ungemessene gestiegen. Dies bestätigen alle zeitgenössischen Biographen und Reisenden. So zum Beispiel schildert die schon erwähnte Lady Montague, daß es für eine Dame von Rang unmöglich gewesen wäre, keinen Liebhaber zu haben, und zwar mit Wissen des Gatten. Denn im barocken Wien galt nur die ältere Frau etwas, was die Lady zur Äußerung veranlaßt, „es sei für sie ein großer Trost zu wissen, daß es schon auf Erden ein Paradies für alte Weiber gebe!”. Es wäre unmöglich gewesen, ein Ehepaar ohne den dazugehörigen Cicisbeo einzuladen. Der Franzose Montesquieu erklärte dazu: „Die Griechen sagen, nur in Sparta sei es schön zu leben. Ich sage dasselbe von Wien. Noch Frauen von sechzig Jahren haben ihre Liebhaber. Sogar die häßlichen werden geliebt. Enfln, man stirbt zu Wien, aber man altert nicht.”

Es fehlte keineswegs an Stimmen gegen die Verwilderung der Sitten, die, angeregt durch das Beispiel der Großen, in allen Bevölkerungsschichten Platz gegriffen hatte. Unentwegt drangen die Vertreter der Kurie auf die endliche Abstellung der verschiedenen Mißstände, von denen auch die heiligen Stätten nicht verschont blieben. So spricht zum Beispiel einmal der Kardinalstaatssekretär Cibo von Ausschweifungen in der Michaelerkirche, wo es besonders bei den Roraten, zwei Stunden vor dem Morgengrauen, keine Freiheit gibt, die man sich nicht nehmen würde, zum größten Ärgernis der Wohlgesinnten. Resigniert stellte der Herr Kardinal schließlich fest: „daß es mit dem frommen und tugendhaften Leben in Wien allezeit große Difflkultäten gegeben habe”. Selbst aus den Kreisen des Adels erhoben sich warnende. Stimmen. So dichtete zum Beispiel der nieder- österreichische Landadelige Wolf Helmhard von Hohberg: „Rechten, spielen, prächtig bauen,

Bürge werden, viel vertrauen,

Über seinen Stand sich zieren,

Gäste halten, banquettieren,

Unnütz Roß, viel Hund und Wind,

Übrig großes Hausgesind,

Gleichfalls Löffeln, Buhlen, Naschen,

Macht leere Küchen, Keller, Taschen!”

Natürlich wetterte auch Pater Abraham a Sancta Clara über das liederliche Leben, unter .anderem auch gegen die „Baunarren”, und sagte:

„Weil ich zuviel dem Geld vertraut,

Hab’ ich mein Hab und Gut verbaut.

Und da nun fertig ist das Haus,

So trieben mich die Schulden aus.

Bauen ist eine schöne Lust,

Daß so viel kost, hab’ ich nicht g’wußt!”

Doch ließen sich die großen Herren dadurch nicht aufhalten und bauten lustig weiter. Mit dem heutigen Palais Schönbom in der Renngasse feierte Fischer von Erlach, wie Dagobert Frey meint, die „Sonnwendfeier, seines Lebens. Der Bau zeigt ihn in der Mitte der Vierzig, in voller Beherrschung seiner Kunst, innerlich gereift und noch voll heißen Temperaments. Kein anderės Werk von ihm ist so erfüllt von überschäumender Lebenslust. Das Haus scheint wie zu einem freudigen Anlaß geschmückt. Im Vergleich zum Stadtpalast des Prinzen Eugen erfährt hier alles Plastische eine auffallende Steigerung”.

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