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Die Plünderung Roms

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Papst Clemens VTI. glaubte inmitten seiner kleinen Schweizergarde so sicher zu sein, daß er den größten Teil der übrigen Söldner entließ, ehe ganz unerwartet das Heer Karls V. blitzschnell vorstieß. Sie kamen nicht, sie waren da! Wie aus dem Boden gestiegen. Kein Gerücht, das Rom hätte warnen können, eilte ihnen voraus. Durch den Profoß wurde den Stückmeistern strengstens verboten, die Stadt zu bombardieren. Kein einziger Schuß, der die Römer auf die Mauern bringen konnte, wurde gelöst. Fast ohne Widerstand zu finden, drangen die mit den Spaniern verbundenen deutschen Landsknechte bei dunkelster Nacht in Tras-tevere, den westlich vom Tiber gelegenen Stadtteil, ein, übersdiritten die ungeschützten Brücken und überrumpelten alles. Im letzten Augenblick gelang es dem Papst, sich mit der Schweizergarde und einigen Kardinälen in die Engelsburg zu retten. Unmengen ratloser Bürger drängten nach; aber bald war das feste Kastell so überfüllt, daß Fallgatter und Tore mit Gewalt geschlossen werden mußten. Schon stand Benvenuto Cellini, der päpstlidae Stempelschneider, mit brennender Lunte als Stückmeister am Geschütz und feuerte auf die durch alle Tore in die Stadt eindringenden Feinde. Eins der Geschosse i tötete den Herzog von Bourbon, der die Spanier nach Rom geführt hatte. Damit war das Zeichen zu dem nun ausbrechenden blutigen Gemetzel gegeben. Anfangs zwar blieb der Einzug der Feinde ein durchaus geordneter; denn bis zum letzten Troßbuben herrschte die Freude vor, in die Hauptstadt der Welt ohne Belagerung einziehen zu können. Nun aber spradien hüben und drüben unerbittlich die Feldschlangen und schweren Geschütze. Die entfesselte Kriegsfurie erhob drohend das Gorgonenhaupt. Rom und Florenz galten als die reichsten Städte Italiens. Zudem hatten die Truppen bei der gefährlichen Überschreitung der Alpen allerlei Unglück gehabt, hatten einen strengen Winter hinter sich. Seuchen und Mangel waren grimmige Feinde. Zu lange warteten die Truppen auf den rückständigen Sold, und zeitweise plagte sie bitterer Hunger. Nun konnten sie den Befehl zur Plünderung der unglücklichen Stadt nicht abwarten. Noch marschierten die deutschen Landsknechte in Reih und Glied ,und jede größere Abteilung wurde durch den strengen Profoß in Mannszucht gehalten. Die heißblütigen Spanier aber stürmten voraus. Als die deutschen Landsknechte sahen, daß die sofort plündernden Spanier sidi der besten Kostbarkeiten bemächtigten, waren auch sie nicht mehr zu halten. Was nicht floh oder gar Widerstand leistete, wurde schonungslos niedergemacht. Schon brannten manche Häuser. Männer verrödielten, Weiber kreischten; überall war der Teufel los. Der Prinz von Oranien brauchte den Vatikan nicht zu stürmen; unverteidigt stand er offen. Tag für Tag rasten zügellos gewordene Mordbanden durch die Straßen, rannten mit Sturmböcken die bronzenen Pönale der Paläste ein und plünderten alles, was die Habgier reizte. In den Kirchen schlug man die Figuren der Heiligen in Stücke. Auf Straßen und Plätzen wurden wertvolle Standbilder umgestürzt und zerbrochen. Große Weinfässer lagen zerschlagen; man schwamm im Wein. Je mehr Schätze man fand, je höher stiegen Gier und Grausamkeit. Nicht nur italienische, selbst spanische Kirchenfürsten wurden gezwungen, sich durch hohe Lösegelder freien Abzug aus der unglücklichen Stadt zu erkaufen. Schon hatte der Prinz von Oranien durch die Rottmeister etwa zehn Millionen Dukaten zur Füllung der Kriegskasse zusammenräubern lassen.

„Her! Her! Her!“ klang der .Aufruf der Schwegelpfeifen. „Dran! Dran! Dran!“ der jSturmruf' der Trommeln, wo sich Satan zum Rottmeister auseinandergerissener Gewalthaufen gemacht hatte. Als indes die Grausamkeit der rasenden Spanier selbst vor jammernden Müttern und Kindern nicht haltmachte, wurde es den deutschen Landstörzern, dem armen Schwartenhals, dem tumben Flötenarnold, besonders aber dem wackeren Valtlin Koppen zu viel. Er schrie seine Landsleute an im Parierton: „Den Schergen müssen wir die Suppe versalzen! Drauf! Drauf! Drauf!

So will ich mir nit grausen Ion Und sollt der Boden untergon!“

Seine eigenen Leute schrien, die Zigeuner und Spanier aber, die von ihrem Schandwerk nicht abließen, brüllte er an: „Seid ihr mit uns oder mit dem Satan im Bunde? Habt ihr Feldgelüb' und Eid vergessen, daß ihr Kinderblut vergießt?“

Wütend machte einer der Angerempelten Anstalten, sich mit seinen Spießgesellen auf Valtlin Koppen zu werfen. Der aber schnaubte: „Zurück, Spaniol. Mir willst du ans Leder, du langer Brandhaken?“

Damit wars Stichwort gegeben, daß es ernst wurde. — „Weisbäck, Jörg, Wiedehopf, alles, was Ehr' im Leib hat und zum verlorenen Haufen gehört: Dran und drauf! Dran und drauf! Die wollen wir kurranzen! — Ritsch, ratsch. Peng! Dran und drauf! Mit Hellebarden g'schmalzen!“

Sie hatten alle zu viel roten, feurigen Wein in sich, waren von Sinnen und lieferten eine Schlacht zwischen den Schlachten. Lagen allda, als sie endlich genug hatten, hüben und drüben wohl drei Dutzend eigner und fremder Leute, die den letzten Schnaufer taten. Aber als die anderen weiterzogen, sangen sie den Trommelreim:

„Im Blut mußten wir gan, im Blut mußten wir gan bis über, bis über die Schuh!

Lärmen, lärmen, lärmen tat uns die Trummel.

Und die Pfeifen sprechen:

Her, her, her, her, her, her, ihr frummen deutschen Landsknecht gut! Reiter zum Pferd! Sattel zum Zaum! Dran! Dran! Dran!“

Tag für Tag wurde in allen Straßen gekämpft, geraubt und gesengt. Freund und Feind balgten sich grimmig wie hungrige Wölfe um die Beute. Denn die Heerhaufen der Spanier sowohl als auch die der Deutschen waren 'zusammengetrommelte Abenteurer. Der Zeit und ihrer Heimat entlaufen: marschierten oder ritten allda nicht in manch rarer Kumpanei auch Don Juan, der Abenteurer, Don Quixote, der prahlende Held, der tumbe Simplizissimus, Eulenspiegel und Münchhausen neben Bruder Straubinger, Landstörzern und ehrlichen Eisenfressern? Meist .Überschwengliche, die die Welt und das Glück erobern wollten? — War aber auch einer darunter, dem einst die reinen Augen seiner Herzliebsten auf guten Wegen geleuchtet hatten bis zu einer bösen Stunde, in der sein jaches Blut ihren Unwillen wachrief und sein gekränkter Stolz ihn von ihrer Seite ins Elend trieb. Einer, der sich schämte, so, wie er jetzt war, ins friedliche Vaterhaus zurückzukehren und dem doch ewiges Heimweh keine Ruhe ließ. Auch er marschierte durch das blutige Rom, trug aber statt Beute auf dem Arm nur den selbsterfundenen Vers im Herzen:

„Weiß nit, woher ich kommen,

Weiß nit, wohin ich geh;

Das Herz ist mir verbronnen,

Heim find ich nimmenmeh.“

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