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Durch Italien „zur Sonne“
Das letzte noch fehlende Teilstück der „Straße zur Sonne“, das zwischen Florenz und Rom, wird noch vor Jahresende dem Verkehr freigegeben. Die Reise von der Metropole ' des italienischen Nordens bis Neapel, ja bis zu den Orangenhainen von Salerno, kann dann bequem in zehnstündiger Autofahrt zurückgelegt werden. Die Vollendung der „Autostrada del Sole“ ist für Italien
ein Ereignis von verkehrstechnischer, aber auch von politischer und soziologischer Bedeutung, vergleichbar mit der Anschließung des Eisenbahnnetzes des Kirchenstaates mit dem Italiens nach der Einigung. Als die Bischöfe zum Konzil 1869/70 nach Rom reisten, fuhren sie noch per Schiff bis Civitavecchia und setzten erst von dort die Fahrt mit der Bahn fort.
Die Bedeutung der Längsverbindung, damals durch die Eisenbahn, heute durch die Autobahn, rührt von einer „geographischen Ungerechtigkeit“ her, die Italien eine viermal größere Längsausdehnung als Breite beschert hat. Andere europäische Länder von gleichem Umfang, Frankreich, Spanien, Deutschland, sind im Vergleich viel kompakter gestaltet. Zu dieser Ungerechtigkeit kommt eine andere: gerade in der Mitte Italiens lagert sich ein Gebirgszug quer, der toska-nische Apennin; und von der liguri-schen Riviera angefangen bis zu den letzten Ausläufern Siziliens teilt ein im Zentrum bis nahe 3000 Meter aufsteigender Gebirgszug Italien in eine westliche und eine östliche Reichshälfte. Um das „Unglück“ vollzumachen, umschließt im Norden der hohe Bogen der Alpen wie ein unüberwindlicher Grenzwall Italien vom übrigen Europa ab.
Die Grundprobleme
Daraus folgt einiges. Zum Beispiel erklärt sich damit die erstaunliche Tatsache, daß 90 v. H. aller in Mailand registrierten Kraftwagen niemals bis Rom kommen und um-
gekehrt 93 v. H. aller römischen Autos niemals in Mailand zu erblicken sind. Oder waren. Denn wenn das grün-weiß-rote Band gegen Jahresende durch den Staatspräsidenten durchschnitten und die Autobahn freigegeben wird, dürfte sich die Lage mit einem Schlage ändern. Wieso, wird man fragen, hat es denn zwischen dem Norden und dem Süden bisher keine Stra-
ßen gegeben? Natürlich gibt es sie. Es sind das die guten, alten, römischen Konsularstraßen, die Via Aurelia längs der tyrrhenischen Küste, die Vio Cassia mit ihrem ewigen hügelauf, hügelab, jene bequem, aber lange, diese kürzer, aber zermürbend, keine von beiden einladend zu vergnüglicher Fahrt. Keinem Römer würde es auch einfallen, seinen Sonntagsausflug an die adriatische Küste zu machen, obwohl diese, auf der Landkarte betrachtet, so nahe zu liegen scheint. Sie ist es auch — aber mit einigen unangenehmen Pässen dazwischen!
Mit unserer knappen geographischen Skizze haben wir bereits die drei großen Verkehrsprobleme Italiens aufgezählt, nämlich
• die Notwendigkeit einer raschen, bequemen Längsverbindung von der Po-Ebene bis nach Kalabrien hinunter,
• die Dringlichkeit mehrerer moderner Querverbindungen zwischen Ost- und Westküste,
• die Nützlichkeit, in den alpinen Grenzwall einige neue Breschen zu schlagen, um den Touristenstrom rege zu erhalten und Italiens Integration in Europa verkehrstechnisch zu fördern.
Man könnte noch ein viertes Problem hinzufügen, das zwar nicht typisch italienisch ist, hier aber aus historischen und künstlerischen Gründen besonders akut empfunden wird, nämlich
• Verkehrserfordernisse und Erhaltung des Stadtbildes in ein erträgliches Verhältnis zu bringen.
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